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Wer braucht schon Zauberworte? (German Edition)

Wer braucht schon Zauberworte? (German Edition)

Titel: Wer braucht schon Zauberworte? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lu Pera
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schon zu noch leichteren Übungen, die jeder eigentlich auf Anhieb beherrscht, übergegangen. Ohne Erfolg. Ich schäme mich, weil ich nicht einen einzigen Zauber zustande bringe.
    Gerade lehne ich mich an die Mauer hinterm Haus. Ich habe Junus gesagt, ich muss auf die Toilette, mich anstatt aber rausgeschlichen. Okay, ich gebs zu, ich heule auch ein bisschen.
    Das ist mir gerade alles zu viel. Mein Bruder sagt, ich setze mich unter Druck, aber das tue ich gar nicht. Eigentlich bin ich total entspannt an die Sache rangegangen. Trotzdem krieg ich keinen einzigen Zauber gebacken. Das ist seltsam, genau wie meine Tattoos. Bis jetzt will er mir nicht sagen, was sie bedeuten. Es muss wohl etwas Schlimmes sein, sonst würde er der Frage nicht jedes Mal ausweichen.
    Zu allem Überfluss will mir die Geschichte mit dem Hexer, der mich „reserviert“ hat, nicht aus dem Kopf gehen. Ständig überlege ich, wie ich aus der Sache rauskomme. Außerdem will ich, dass der Mann, der meine Zieheltern umgebracht und auch an der Ermordung meiner leiblichen Eltern beteiligt war, bestraft wird. Der Gedanke daran, dass ich zwei Elternpaare verloren habe, treibt mir noch mehr Tränen in die Augen.
    Etwas landet vor mir auf dem Boden. Hey, cool – da sitzt ein Rabe vor mir. Das sollen ja total intelligente Tiere sein. Der Vogel legt den Kopf schief, streckt die Federn aus und wackelt mit seinem Körper. Das nenn ich mal einen komischen Kauz. Schlagartig muss ich lächeln. Erneut legt das Tier den Kopf schief.
    Plötzlich fliegt er weg. Wehmütig starre ich ihm nach. Keine zwei Sekunden später geht die Hintertür auf.
    „
Hope, hier bist du. Du sollst doch nicht ohne mich das Haus verlassen.“ Er klingt nicht wütend, eher besorgt. „Hey, hast du geweint?“ Ist das so offensichtlich? „Komm her.“ Junus nimmt mich in den Arm. „Ich hab dir zu viel zugemutet. Vielleicht braucht die Magie noch ein bisschen Zeit, sich in dir auszubreiten.“
    „
War das bei dir auch so?“, frage ich.
    „
Nein. Ich war kaum zu bremsen. Hab gleich mein halbes Zimmer abgefackelt.“ Ich lächle.
    „
Junus, wer hat dich durch den Ritus geführt und dir alles beigebracht, wenn dein Ziehvater doch nichts von deiner Gabe erfahren durfte?“
    „
Ein Freund unseres Vaters. Mit sechzehn bin ich zu ihm und bat ihn, den Ritus zu vollziehen. Er hat mir die Grundlagen sozusagen im Schnellkurs beigebracht. Den Rest hab ich durch ausprobieren erlernt. Mein Ziehvater dachte, ich wär ein paar Tage von zu Hause ausgerissen, um mir die Hörner abzustoßen.“ Toll, er ist ein Naturtalent und ich eine Hexe, die schwer von Begriff ist. „Komm wieder rein. Hier ist es zu gefährlich für dich. Lauf mir nicht noch mal davon, Hope.“ Den letzten Satz hat er sehr bestimmt ausgestoßen. Er meint es mehr als ernst. Diese „Hope in Not“-Sache nervt ganz schön.
    Als wir wieder in der Wohnung sind, zwingt mich mein Bruder förmlich dazu ein Vollbad zu nehmen – zur Entspannung, wie er sagt. Ich bin die Entspannung in Person, verdammt nochmal.
     

    „
Konzentrier dich Hope.“
    „
Ich versuchs ja.“
    „
Du musst dich gegen Hexer zur Wehr setzen können. Wir können nicht mehr lange hierbleiben. Mein Ziehvater wird Verdacht schöpfen, warum ich dich noch nicht geschnappt habe. Das wird langsam unglaubwürdig.“
    „
Junus, ich tue alles, was du mir sagst. Ich strenge mich an, aber ich schaffe das einfach nicht. Ich weiß doch auch nicht, wieso ich nicht zaubern kann. Was stimmt denn nicht mit mir?“
    „
Keine Ahnung Hope. Vielleicht hat es etwas mit den komischen Symbolen zu tun. Das ist abnormal, dass sie dich gewählt haben.“ Was? Toll, ich bin nicht nur eine Hexe, die nicht hexen kann – jetzt bin ich auch noch abnormal.
    „
Wo willst du hin?“, bellt mir mein Bruder entgegen.
    „
Nur auf den Balkon – frische Luft schnappen, wenn du es erlaubst“, spotte ich. Er nickt haareraufend. Toll – unser erster Streit.
    Wir sind schon stundenlang dabei. Seine Geduld ist am Ende. Meine auch. Seit einer Woche trainieren wir zehn Stunden täglich, aber ich habe keinen einzigen Zauber vollbracht. Das entwickelt sich schön langsam zu einem Höllentrip.
    Panisch ziehe ich am Balkon Luft in meine Lungen. Ich muss hier raus. Mir fällt die Decke auf den Kopf. Entgegen seiner Warnung schwinge ich mich über die Brüstung und steige die Feuerhängeleiter hinab.
    Unten angekommen sprinte ich davon. Ich muss mich bewegen, bevor ich den Verstand verliere. Mein Ziel ist

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