Wer braucht schon Zauberworte? (German Edition)
blonde, junge Mann wissen und kommt auf mich zu.
Mein Bruder rauft sich die Haare. Er wird mir gleich die Leviten lesen. „Junus,…“, setze ich an. „DAS,“ unterbricht er mich, schweigt aber, weil er augenscheinlich nach den richtigen Worten sucht. „Also das, …“ Wieder ringt er um Worte. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Ich wappne mich für die verbale Tracht Prügel meines Lebens. „Das war mit Abstand das Coolste, was ich jemals gesehen habe.“ Meine Knie knicken ein. Der Typ neben mir konnte mich gerade noch abfangen.
„
Hoppla“, kommentiert er mein Zusammenklappen.
„
Hope.“ Junus zieht mich aus den Händen des Fremden. Erst jetzt wird mir bewusst, dass mein Bruder nicht sauer ist. Im Gegenteil.
Er beginnt mich durchzuschütteln, sodass meine Locken im Rhythmus seiner Bewegungen durch die Gegend fliegen. „Ich bin so stolz auf dich. Dein erster Zauber.“
„
Aber … aber … das Haus, ich … ich hätte jemanden umbringen können“, wende ich stotternd ein.
„
Hast du nicht. Sie halten es für eine defekte Gasleitung, die hochgegangen ist. Hope, das war unglaublich. Kannst du die Kräfte ermessen, die du gerade entfesselt hast.“ Seh ich so aus, als ob ich das könnte? „Für so einen Zauber braucht mal jahrelange Übung. Ach, was rede ich denn da – Jahrzehnte. Und du kannst das jetzt schon. Wahnsinn.“ Er kommt aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus, während ich mich kaum auf den zittrigen Beinen halten kann. Würde mich mein Bruder nicht an den Schultern gepackt festhalten, hätte es mich schon auf den Hintern gesetzt.
„
Was, wenn sie keine defekte Gasleitung finden Junus?“, wende ich ein.
„
Werden sie Kleines, dafür habe ich gesorgt. Und sie werden nicht nur das finden.“ Ich weiß, was er mir sagen will. Meine Zieheltern. Er lässt es nach einem Unfall aussehen. Ich verstehe es.
„
Das ist meine Schwester, Mann“, brüllt er zu dem Unbekannten rüber. Ich hab mich so erschrocken, dass ich zusammengezuckt bin.
„
Und was für eine Schwester, Mann“, stößt der Kerl aus. Dabei mustert er mich fasziniert. „Mein Name ist übrigens Fynn. Ich bin Heiler.“
„
Lehrling des Heilers, wolltest du wohl sagen. Außerdem, baggerst du gerade meine Schwester an?“, prustet mein Bruder ärgerlich.
Fynn hebt abwehrend die Hände hoch. „Das würde ich nie wagen.“ Hätte er mir dabei nicht gerade zugezwinkert, würde ich ihm das sogar abkaufen.
„
Na warte. Das ist meine Schwester“, stellt Junus fest und nimmt ihn in den Schwitzkasten. Sie rangeln freundschaftlich miteinander. Ihre Ablenkung nutze ich, um den Raum zu verlassen. Im Zimmer nebenan setze ich mich aufs Fensterbrett und ziehe die Knie an meinen Körper. Meine Hände zittern immer noch.
Auf der Feuerleiter landet ein Vogel. Es ist ein Rabe – nein warte, das ist der Rabe, den ich hinter dem Haus gesehen habe. Erneut hält er den Kopf schief und bewegt sich tanzend, bis ich lächle. Im nächsten Moment steigt er wieder in die Lüfte empor.
„
Hope?“ Mein Bruder steht neben mir. „Ich hab dich gerufen. Ein paar Mal.“
Ich nicke und löse den Blick von der Scheibe.
„
Bist du schon wieder in Gedanken versunken?“, will mein Bruder wissen. Ich nicke zustimmend.
„
Fynn will sich verabschieden.“ Der blonde Heiler tritt herein.
„
Ich hole eine Schere“, verkünde ich. Er nimmt sicher meine Haare als Bezahlung. Mein Bruder hält mich am Arm zurück. „Ich hab noch was gut bei ihm.“
„
Immerhin sind wir beste Freunde“, informiert mich Fynn, der jetzt vor mir steht. Aha.
„
Danke“, hauche ich.
Scheinbar erstarrt mustert er mich. Ich hatte schon Angst, dass
ich
das war, da rammt ihm mein Bruder einen Ellbogen in die Seite. „Glotzt du sie etwa an, Fynn?“
„
Sorry Mann, aber ich erstarre in Ehrfurcht vor solch einer natürlichen Schönheit.“ Er will mir einen Handkuss verpassen, aber ich ziehe ihm die Hand vorher weg. So süß ist er auch wieder nicht, dass er mich anfassen darf.
Junus lacht seinen besten Freund aus, der mich herausgefordert anfunkelt. „Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder schöne Hope.“
„
Okay“, antworte ich emotionslos.
Etwas vor den Kopf gestoßen, verlässt er den Raum zusammen mit Junus, der nur noch am Grinsen ist.
Ich lehne den Kopf an die Scheibe. Wenig später ist mein Bruder zurück und sagt: „Also Kleines, erleuchte mich, wie hast du das hingekriegt?“
„
Ich weiß nicht genau.“
„
Erzähl mir jedes Detail,
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