Wer den Himmel berührt
darunter, die mehr als zweihundert Meilen weit im Süden lag, so abgelegen, daß das nächste Gehöft siebzig Meilen entfernt war.
»Hier spricht Gregor Carlton«, sagte eine hochgestochene britische Stimme. »Meine Schwester ist sehr krank. Sie hat seit etwa zwölf Stunden Schmerzen.«
Warum hatte er nicht während der Achtuhrsprechstunde angerufen? fragte sich Cassie.
»Ihr ist übel, und sie hat Fieber. Sie will sich nicht von der Stelle rühren, weil es zu schmerzhaft ist. Der Schmerz ist kaum zu lokalisieren, weil er sich durch ihren ganzen Körper zieht, aber jetzt sagt sie, daß er von unten rechts ausgeht. Meiner Meinung nach klingt das ganz nach einer Blinddarmentzündung.«
»Der Meinung bin ich auch«, sagte Cassie. »Wir sollten besser kommen und sie so schnell wie möglich ins Krankenhaus bringen. Mein Pilot wird sich von Ihnen eine Wegbeschreibung geben lassen«, sagte sie. Sam gegenüber bemerkte sie: »Das ist ein Fall von größter Dringlichkeit. Laß uns gleich aufbrechen.«
»Ich bin bereit«, sagte er grinsend. »Dann bin ich also
dein
Pilot?«
Sie verließen die Funkzentrale und machten sich auf den Weg zu seinem Pickup. »Hast du Lust mitzukommen, Don?« fragte Cassie und ignorierte Sams spöttische Bemerkung.
»Meine Güte«, sagte er, während er neben ihnen hertrabte. »Soll das heißen, daß ihr einfach so von hier aufbrecht?«
»Einfach so«, erwiderte Sam.
»Meine medizinische Grundausstattung befindet sich immer im Flugzeug. Nach jedem Flug ergänze ich sie. Wenn wir nicht so spät nach Hause kommen, daß es schon dunkel ist, sorgen wir dafür, daß das Flugzeug innerhalb von einer Minute startbereit ist, falls wir einen Notruf erhalten. Komm schon«, sagte Cassie. »Sam redet normalerweise beim Fliegen nicht mit mir. Ich döse vor mich hin, oder ich lese. Komm mit, damit ich ein interessantes Gespräch mit dir führen kann.«
»Die Carltons sind so weit ab von allem, daß ich noch nie dort war«, räumte McLeod ein. »Das gibt mir die Gelegenheit, sie kennenzulernen. Ich habe schon von ihnen gehört – Bruder und Schwester, die vor etwa fünf Jahren aus England gekommen sind und einer Frau, deren Mann gerade gestorben war, eine erfolgreiche Schafzucht abgekauft haben. Niemand weiß viel über die beiden.«
»Was könnte jemanden dazu veranlassen, siebzig Meilen von seinen nächsten Nachbarn entfernt zu leben?« fragte Cassie, und das nicht zum ersten Mal.
»Ich glaube, das Gehöft heißt Mattaburra«, sagte McLeod. »Es ist jahrelang für seine erfolgreiche Zucht berühmt gewesen. Ich kann mir gut vorstellen, daß sie eine ganze Menge dafür hingelegt haben, trotz der abgeschiedenen Lage.«
»Ich glaube, heute ist so ein Tag«, sagte Sam zu sich selbst, aber doch so laut, daß seine Passagiere es hören konnten.
»Was für ein Tag?« fragte Cassie.
»Ein Tag für Luftspiegelungen.« Er wies vor sich. Cassie schnallte sich ab und stand auf, um ihm über die Schulter zu sehen. Vor ihnen schimmerte ein gewaltiger See, in dessen Mitte grüne Inseln mit einer moslemischen Moschee und Palmen schwammen.
»Das soll wohl ein Witz sein«, sagte sie. »Das ist keine Luftspiegelung.«
»Sieh genau hin«, sagte er. »Diese Fata Morgana wird vor uns bleiben, ganz gleich, wohin wir uns auch wenden. Wir können nicht über sie hinwegfliegen, und erst wenn wir wieder Bäume erreichen, wird sie verschwinden. Die atmosphärischen Bedingungen müssen genau richtig dafür sein. Und was
genau richtig
ist, weiß niemand. Ich habe noch nie selbst Luftspiegelungen gesehen, aber davon gehört. Jeder Pilot in diesem Teil des Landes hat schon davon gehört.«
McLeod zwängte sich in die Lücke neben Cassie und schaute nach unten. »Da soll mich doch der Teufel holen«, sagte er. »Ich habe auch schon davon gehört. Natürlich habe ich Dutzende von Luftspiegelungen unten auf dem Boden gesehen, aber nie so eine, mit Inseln und einer Moschee.«
Das Land, das die Fata Morgana umgab, war mit roten Steinen und großen Sprüngen in der Erde bedeckt. Nirgendwo war ein Zeichen von Leben zu erkennen. Nach einer Stunde verschwand die Fata Morgana, als verkrüppelte Akazienbäume in Sicht kamen und ihr Blaßblau sich wie ein Meer ausbreitete. Diverse Anzeichen wiesen auf leerstehende Gehöfte hin.
Eine große Schar von Emus rannte unter ihnen durch die Salzmelden.
»Früher einmal«, sagte Don, »haben die Leute geglaubt, daß Salzmelden ein sicheres Zeichen für das Scheitern jeden Unterfangens sind,
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