Wer den Himmel berührt
wie Bertie sie in Erinnerung gehabt hatte. »Ich habe Cully eine Stellung angeboten«, sagte Bertie. »Aber er hat kein Interesse daran, so weit außerhalb der Stadt zu wohnen. Viel redet der ja nicht gerade, stimmt’s?«
In der nächsten Woche kamen Padre McLeod und seine Margaret in die Stadt. Margaret war ein hübsches Mädchen mit pechschwarzem Haar, das sie zu einem Knoten aufgesteckt hatte, und blauen Augen, die wie Rotkehlcheneier leuchteten. Cassie lud Don und Margaret ein, bei ihr zu wohnen und in Fionas Zimmer zu schlafen, solange sie in der Stadt waren. Sie lud Horrie und Betty und ihr neugeborenes Baby zum Abendessen zu sich ein, und dabei wurde ihr klar, daß sie zum ersten Mal Leute zum Essen zu sich nach Hause einlud, abgesehen von der Party, die sie und Fiona vor nahezu zwei Jahren in ihrer zweiten Woche in der Stadt veranstaltet hatten. Vielleicht sollte sie gleich eine echte Party geben. Warren und Mary einladen. Vielleicht auch Chris. Sie hatte das Gefühl, daß sie ihm eine ganze Menge zu verdanken hatte. Und sie wußte auch, daß er einsam sein mußte, seit Isabel gestorben war. Sie sah ihn nur, wenn sie einander assistierten oder sich im Krankenhaus begegneten.
Die unausgesprochene Abmachung, zu der sie gelangt waren, gefiel ihr außerordentlich. Dadurch gestaltete sich ihre Arbeit wesentlich interessanter. Ohne Dr. Edwards hatte Chris viel zuviel zu tun, um auch noch die FDS -Patienten zu behandeln, und daher gestattete er es ihr, die Operationen an ihren Patienten selbst vorzunehmen. Das versetzte sie in die Lage, auch die postoperative Behandlung zu übernehmen, und daher lernte sie die Leute aus dem Busch wesentlich besser kennen, als es ihr vorher möglich gewesen war. Chris war zwar immer noch der engstirnige, mit Vorurteilen behaftete Mann, doch inzwischen war es eine reine Freude, mit ihm zu arbeiten. Es mochte zwar sein, daß sie außerhalb des Krankenhauses nicht miteinander harmonierten, doch sie verließen sich inzwischen aufeinander, wenn es darum ging, eine zweite Meinung einzuholen, oder wenn einer von ihnen bei einer komplizierten Operation einen Assistenten brauchte. Er hatte Schwester Claire als Anästhesistin ausgebildet, aber jetzt ging sie fort, um sich dem Militär anzuschließen.
Cassie plante ihre Essenseinladung für einen Samstagabend, da sie wußte, daß sie den ganzen Tag in der Küche würde zubringen müssen. Das war ihr eine willkommene Abwechslung.
Willkommene Ablenkungen konnte sie gebrauchen. Sie verbrachte fünfzehn bis zwanzig Stunden wöchentlich in der Luft und dachte währenddessen mit geschlossenen Augen an Blake. Bitterkeit wuchs in ihrem Herzen. Er hatte ihr Herz für sich gewonnen und ihre sorgsam aufgebauten Abwehrmechanismen durchbrochen, und er hatte sie verführt – nun, das war nicht ganz zutreffend. Zweieinhalb Wochen lang hatte er mit ihr geschlafen – wild und leidenschaftlich mit ihr geschlafen. Er hatte sie nicht nur körperlich verführt, sondern auch ihr Herz und ihre Seele. Er hatte ihr eine Wildheit gezeigt, von deren Existenz sie nichts gewußt hatte, und ihr naturhafter Rhythmus hatte sich der Wildheit dieses Landes angeglichen. Sie hatte sich in ihm verloren. Ein Teil von ihr war immer noch nicht zu ihr selbst zurückgekehrt. War es ihr Herz? Sie trauerte ebensosehr um ihn wie um Jennifer. Ein Gefühl von Unbehagen wollte nicht von ihr weichen. Hatten diese Wochen in Kakadu ihm denn so wenig bedeutet? Hatte er so schnell die Magie vergessen, die sie miteinander erlebt hatten?
In ihrem Herzen konnte sie nicht glauben, daß er sie vergessen hatte. Sie wartete nach wie vor täglich darauf, von ihm zu hören. Sie dachte an diesen einen Brief, den er an seine Familie geschrieben hatte – seine Reaktion auf den Verlust, den sein Vater erlitten hatte. Kein Wort darüber, was er trieb. Vielleicht war es ihm schlichtweg verhaßt, Briefe zu schreiben. Vielleicht trug er die Erinnerung an sie tatsächlich in seiner linken Hemdtasche, wie er es gesagt hatte.
Sie war so wütend, daß sie sich in den Finger schnitt, als sie für den Salat Tomaten in Scheiben schnitt.
In dem Moment ertönte eine Hupe, und als sie aus dem Fenster schaute, sah sie eines der drei Taxis der Stadt um die Ecke biegen und vor dem Haus anhalten. Eine elegant gekleidete Frau stieg aus. Der Taxifahrer begann, Koffer auszuladen.
Cassie schlug sich die Hände auf die Brust. Tränen brannten in ihren Augen. Sie stand da und starrte, bis sie schließlich
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