Wer den Himmel berührt
Cassie. Wir sind erwachsen und tragen Verantwortung für Dinge, die nicht immer denen entsprechen, die wir uns selbst ausgesucht hätten.
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I ch kann es einfach nicht glauben«, sagte Cassie entrüstet zu Chris. »Sie ist so hohlköpfig, daß ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, was Sam an ihr findet!«
»Du hast es wohl vergessen«, sagte Chris und nahm seine Kaffeetasse in die Hand. »Sam hat sich schon immer nur für die hübschesten Mädchen interessiert, und es hat nicht die geringste Rolle gespielt, ob sie auch nur einen Funken Verstand besaßen. Ich glaube sogar tatsächlich, es war ihm lieber, wenn sie strohdumm waren.«
Cassie schüttelte den Kopf. »Ehe er fortgegangen ist, schien es, als würde er sich für Schwester Claire interessieren, und die war gescheit.«
»Das war vor fünf Jahren.«
»Vermutlich schon. Aber Olivia scheint – also, mich wundert einfach nur, daß Sam mit jemandem wie ihr glücklich sein kann.«
»Sie ist so hübsch, daß er stolz auf sie sein kann, aber doch nicht so schön, daß er sich Sorgen um sie machen muß. Hast du gesehen, wie sie zu ihm aufgeblickt hat?«
Cassie faltete kopfschüttelnd ihre Serviette zusammen. »Mit dem affektierten Lächeln eines kleinen Mädchens. Als sei alles, was Sam tut und denkt, der Inbegriff an Vollkommenheit.«
Chris lachte. »Weißt du, das hat auch seinen Reiz.«
Cassies Augen funkelten vor Zorn. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß dir eine Frau gefallen würde, die allem zustimmt, was du denkst und tust, die dich mit Kuhaugen anschaut …«
»Eine erfrischende Abwechslung wäre das schon. Aber nein, meine Liebe.« Er beugte sich vor und griff nach ihrer Hand. »Das würde mich zu Tode langweilen. Bei mir sollen Frauen lebhaft und aufbrausend sein …«
»Das ist auch verdammt gut so.« Cassie beruhigte sich wieder und lächelte ihn an.
»Du bist froh, daß die beiden so schnell ein Haus gefunden haben, stimmt’s?«
»Mein Gott, zehn Tage sind fast über die Grenzen dessen gegangen, was ich aushalten kann, wenn ich mir ansehen muß, wie sie über alles kichert, was Sam sagt, und er grinst und sonnt sich in all dieser Anbetung.«
Chris stand auf. »Vergiß Sam und Olivia. Vergiß Romla …«
»Was heißt: Vergiß Romla? Ich habe seit Ewigkeiten nicht mehr an Romla gedacht.«
Er schüttelte den Kopf. »Das habe ich ganz vergessen. Sie hat gestern angerufen. Sie kommt am Donnerstag mit der ganzen Familie. Warum, erzähle ich dir später. Es ist eine verrückte Idee. Aber vergiß sie für einen Moment.«
»Nein«, sagte Cassie und zog an seinem Arm. »Erzähl es mir.«
»Roger findet es langweilig, Polizist in Townsville zu sein. Und obwohl sie es nicht zugegeben hat, glaube ich, daß Romla das Leben langweilt, das sie führen.«
»Als ich da war, war das mit Sicherheit der Fall.«
»Roger ist bereit zu einer Kursänderung, und Romla wünscht sich eine Herausforderung. Sie hat auf eine Anzeige geantwortet, in der ein Hotelmanager gesucht wurde, und rate mal, wo? Hier im ›Royal Palms‹.«
»Im ›Royal Palms‹? Sam sagt, das ist ein Dreckloch, nicht der Rede wert.«
Chris nickte. »Ich weiß, ich weiß. Trotzdem glauben sie und Roger, daß sie gern etwas Neues ausprobieren würden, und als sie gehört hat, daß das Hotel hier ist, hat sie es so eingerichtet, daß sie herkommen und es sich ansehen, und dann wird sich herausstellen, ob sie glaubt, daß Möglichkeiten darin stecken. Sie war reichlich angetan von dir, verstehst du?«
»Ich von ihr auch.«
»Jedenfalls kommen sie alle am Donnerstag hier an.«
»Das sollte Spaß machen. Ich freue mich schon darauf, sie wiederzusehen. Du hast sie auch nicht mehr gesehen, wenn man von dem einen Mal absieht, als du zu einer Konferenz in Brisbane warst und ihr auf dem Weg einen Besuch abgestattet hast. Natürlich fand ich Roger gräßlich langweilig.« Sie begann, sich zu fragen, ob sie eine private Pension führten.
»Gräßlich«, stimmte Chris ihr zu.
Beim nächsten Mal flog Sam zum ersten Mal seit seiner Rückkehr aus dem Krieg zu einer der regelmäßigen Sprechstunden. Als sie nach Tookaringa hinausflogen, bemerkte er: »Mann, alles ist ausgedörrt, und das in der Regenzeit.«
Cassie hatte die Männer seit einem Jahr von einer Dürre reden hören, aber bisher war noch niemandem das Wasser ausgegangen, und sie hatte noch nichts von Tieren gehört, die verdurstet waren.
»Wenn es nicht bald regnet, wird es hier übel aussehen. Hast du je eine
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