Wer den Himmel berührt
besaß soviel Hotelcharakter wie das Wohnzimmer, und doch strahlte sie eine gewisse Wärme aus. Blinkende Kupfertöpfe hingen an Messingketten von breiten dunklen Holzbalken, die sich unter der Decke entlangzogen. Die Arbeitsfläche bot Raum genug für ein halbes Dutzend Personen, und vom Holztisch und den Stühlen am Ende der langen Anrichte hatte man einen Ausblick auf ein Atrium, in dem nicht nur Feigen- und Orangenbäume standen, sondern in dem auch Vögel sangen. In dem fischförmigen Teich trieben immense rosafarbene und gelbe Lotusblüten. Ein dünnes Gitter war über das Atrium gespannt, damit die Vögel nicht fortfliegen konnten.
»Sehr beeindruckend«, murmelte Cassie.
»Ja, findest du nicht auch?« Fiona preßte ihren Arm enger an sich. »Cassie, ich hätte im Traum nicht geglaubt, daß ich je in einem solchen Haus leben würde.«
»Ich würde das alte Haus vermissen.«
»So wird es mir auch gehen, das weiß ich ganz genau, aber das hier ist Blakes Traum. Um Steven mache ich mir allerdings echte Sorgen. Er wird sich umstellen müssen, von einem vollen Haus, in dem immer viel los war, auf Einsamkeit.«
»Er wird sich dort doch nicht einsam fühlen, oder? Ich meine, die Schlafbaracken stehen immer noch vor dem alten Haus, das Büro der Buchhalter …«
»Du weißt schon, was ich meine. Es wird ihm an den Abenden an Wärme fehlen. Niemand, mit dem er reden kann. Ich liebe diesen Mann. Es wäre mir unerträglich, mit ihm verheiratet zu sein – er muß immer so maskulin sein, und für ihn ist Macht so notwendig –, aber als Schwiegervater und Freund liebe ich ihn. Von ihm bekomme ich mehr zu sehen als von meinem eigenen Mann.«
»Vielleicht sind zeitweilige Trennungen das, was eine Ehe frisch erhält.«
Fiona lachte. »Also, wenn das so ist, dann finde ich mich gern damit ab. Wenn etwas klappt, scheint sich Blake niemals damit zufriedenzugeben. Er braucht ständig neue Welten, die er erobern kann. Ich glaube, er ist mit einer ruhelosen Seele geboren worden.«
Fiona führte Cassie gerade durch einen der Korridore zu den Schlafzimmern. »In jedem Flügel gibt es fünf Schlafzimmer. Natürlich haben wir unseren eigenen Flügel vollständig belegt. Hier, das ist dein Zimmer.«
Es war doppelt so groß wie ihr eigenes Schlafzimmer und ganz in dramatischen Smaragdtönen und in Weiß gehalten. Fiona wandte sich an Cassie. »Ich weiß nicht, ob Blake böse auf mich ist. Letzte Nacht habe ich ihm gesagt, daß ich nicht noch mehr Kinder haben möchte. Drei sind genug. Es gibt noch ein paar andere Dinge, die ich mit meinem Leben anfangen will.«
Cassie sah sie an. Wie sollte sie darauf reagieren?
»Ich will dafür sorgen, daß die Kinder der Aborigines die Chance bekommen, eine gewisse Schulbildung zu erlangen«, fuhr Fiona fort. »Und ich will, daß all diese Hunderte von Kindern im Busch damit in Berührung kommen und mehr lernen, als ihre Eltern ihnen beibringen können. Sicher, meinen Kindern fehlt es an nichts; sie haben eine Lehrerin zur Mutter, eine Mutter, die außerdem noch eine Million anderer Dinge zu tun hat. Mich begeistert die Vorstellung nicht gerade, daß meine Kinder nichts anderes lernen als das, was ihre Gouvernante ihnen beibringen kann, obwohl sie in manchen Bereichen sehr gut ist, aber eben nicht auf allen Gebieten. Und es gibt keinen gemeinsamen Nenner, was den Lehrstoff angeht. Alles hängt nur davon ab, was die Hauslehrerin weiß und wie begabt sie als Lehrerin ist und … ich habe eine Idee im Hinterkopf. Ich werde später noch mit dir darüber reden. Ich habe von neuen und spannenden Dingen gehört, die sich drüben in Alice abspielen.« Sie drückte Cassies Hand. »Geht es dir gut? Du machst den Eindruck, aber was ich wissen will – geht es dir wirklich gut?«
»Mir geht es gut«, sagte Cassie. »Besser, als es mir gehen dürfte. Ich fühle mich ein wenig schuldbewußt, weil ich nicht niedergeschlagener bin. Schließlich mochte ich ihn wirklich sehr gern, verstehst du.« Selbst in ihren eigenen Ohren klang das nicht gerade nach viel.
Den eigenen Ehemann sehr gern haben.
»Du bist so tapfer, meine Liebe, und so stark. Und jetzt werde ich Henry zum Flugzeug rausschicken, damit er eure Taschen holt. Du kannst die Sprechstunde hinter dem Haus abhalten. Ich habe alles für dich vorbereitet, unter der Platane. Ich nehme an, bei anderen Gelegenheiten wird es praktischer sein, die Patienten drüben auf der Veranda des alten Hauses zu behandeln, aber diesmal?«
»Sicher«, sagte
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