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Wer den Himmel berührt

Wer den Himmel berührt

Titel: Wer den Himmel berührt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bickmore
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tragische Gestalten, stimmt’s? Aber ich bin nicht unglücklich, Sam.«
    »Ich wünschte, ich könnte von mir dasselbe sagen. Ich habe das Gefühl, in der Falle zu sitzen. Ich weiß genau, was ich will, aber ich kann die Hände nicht danach ausstrecken. Glaubst du an diese alten Hüte? Pflichtbewußtsein. Ehre.«
    »Ich weiß selbst nicht, woran ich glaube. Ich finde, man sollte niemandem weh tun, wenn es sich verhindern läßt, und doch ist es auch nicht richtig, sich für das Glück eines anderen zu opfern. Du denkst an Liv, stimmt’s? Und an die Kinder.«
    »Ja, selbstverständlich.«
    Sie saßen da und starrten in die Dunkelheit hinaus. Sams Arm lag immer noch um ihre Schultern. Schließlich sagte sie: »Jetzt, in diesem Augenblick, bin ich glücklich, Sam.«
    »Ich bin es auch. Aber jetzt sage ich dir eins. Ich glaube, ich gehe jetzt nach Hause.«
    Sie setzte sich mit einem Ruck aufrecht hin. »Um diese Tageszeit? Sam, es ist kurz vor Mitternacht. Warte doch wenigstens noch bis morgen.«
    Er stand auf. »Nee. Ich gehe jetzt, jetzt sofort. Ich gehe zu Fuß – ich will nicht von dir heimgefahren werden. Laß mir drei Tage Zeit für mich allein, und dann kann ich hoffentlich wieder rausfliegen. Ich werde immer unruhiger.«
    »Das ist einfach albern«, sagte sie.
    »Niemand kann behaupten, ich hätte nicht eine ganze Menge Dummheiten in meinem Leben begangen. Das Abendessen hat gut geschmeckt, Cassie. Ich könnte mich daran gewöhnen, von dir bekocht zu werden. Und ich rechne dir deine Gastfreundschaft hoch an, aber jetzt ist es an der Zeit zu gehen.«
    Als sie ihm nachsah, wie er über den Weg lief und in der Nacht verschwand, fiel ihr auf, daß er sie den ganzen Abend über kein einziges Mal Doc genannt hatte. Sie stand auf den Stufen und schlang die Arme um sich, da ihr die Nacht plötzlich kühl erschien. Sie starrte noch lange, nachdem Sam schon verschwunden war, in die Dunkelheit hinaus. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte sie sich sehr einsam. Zu ihrem Erstaunen stellte sie fest, daß eine Träne über ihre Wange rann.

53
    S ie konnte nicht schlafen. Nun, das stimmte nicht ganz. Sie schlief ohne größere Schwierigkeiten ein, wurde aber um zwei Uhr wach und wälzte sich bis nach vier unruhig herum. Sam. Cassie hatte Sam in all den Jahren, die sie ihn jetzt schon kannte, als eine Selbstverständlichkeit hingenommen. Wie lange war es jetzt schon, zehn Jahre? Nein, elf. Sechs davon war er fort gewesen, aber seit vier Jahren war er wieder da, und seitdem hatte sie ihn an so ziemlich jedem einzelnen Tag ihres Lebens gesehen.
    In ihrer Arbeit waren sie phantastisch aufeinander eingespielt. Jeder von beiden brauchte den anderen nur anzusehen und wußte, was er als nächstes tun würde und was gebraucht wurde. Da sie inzwischen selbst Flugzeuge gesteuert hatte, brauchte Cassie nur einen Blick auf das Wetter zu werfen, auf das Terrain unter ihnen oder auf die Wolken am Horizont, und schon wußte sie, was Sam tun würde. Nicht etwa, daß sie je dasselbe getan hätte, aber sie wußte, was Sam tun würde.
    Sam brachte sie zum Lachen. Sam tröstete sie. Sam sorgte dafür, daß sie mit den Leuten in Verbindung blieb. Während sie Wunden verband oder Untersuchungen durchführte, stand er mit einer Gruppe von Leuten zusammen und fand heraus, was sich abspielte. Er war derjenige, der ihr berichtete, was für ein großer Erfolg die Schule der Luft war, und er war derjenige, der die Post abholte und neue Lektionen in den Busch brachte, und manchmal redete er mit den Kindern über den Unterrichtsstoff. Oft versammelte er scharenweise Menschen um sich, und Cassie konnte hören, wie er ihnen mit lebhaften Gesten den letzten Film erzählte, den er sich angesehen hatte. Vor einem Jahr hatte er sich eine alte Gitarre gekauft und sich das Spielen selbst beigebracht. Er bewahrte die Gitarre im Flugzeug auf, und wenn sich eine Horde Kinder um ihn drängte, holte er sie heraus, sang ihnen Lieder vor und brachte ihnen den Text bei. Nach ein paar Monaten sangen die Kinder mit, wenn er spielte, und sie erwarteten ihn schon, wenn das Flugzeug zu Sprechstunden eintraf. »Liv kann es nicht ausstehen, wenn ich singe«, hatte er zu Cassie gesagt. »Daher bin ich auf ein gebanntes Publikum andernorts angewiesen.« Er würde es zwar nie schaffen, in einem Nachtklub aufzutreten, doch Cassie fand, er hätte eine gute Stimme, und sie hörte ihm gern zu, wenn er sang. Sie stellte fest, daß sie sich schon entspannte, wenn er die Gitarre nur

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