Wer den Himmel berührt
Hause wäre und sich um dich kümmern könnte.«
Er sah sie an.
»Okay«, sagte Cassie lächelnd. »Glaubst du, man wird in der ganzen Stadt über uns reden? Ich hole dich zu mir nach Hause, aber du mußt mir versprechen, nichts zu tun und nirgends hinzugehen, wenn ich mit dem Flugzeug unterwegs bin.«
Er grinste matt. »Das ist wahrscheinlich das beste Angebot, das ich bekommen kann. Ich würde es dir hoch anrechnen, Doc. Hier drehe ich noch durch. Und außerdem bist du eine bessere Köchin, als Liv es je war.«
»Ich werde mir etwas einfallen lassen müssen, damit du wieder Fleisch auf die Rippen kriegst. Du wirkst so knochig wie damals, als ich dich kennengelernt habe.«
»Also, ich fand dich damals auch nicht gerade toll.«
Cassie hatte Sams Gesellschaft bei den Sprechstunden vermißt; zum Glück war kein einziger Notfall aufgetreten, mit dem sie nicht allein zurechtgekommen wäre. Und sie stellte fest, daß sie rundum zufrieden war und sich den ganzen Tag lang darauf freute, am Abend nach Hause zurückzukommen. Zum ersten Mal seit dem Tod von Chris machte es ihr Spaß, Mahlzeiten zu planen und gelegentlich auf Kochbücher zurückzugreifen, um etwas ganz Besonderes zuzubereiten.
Sam interessierte sich bis in alle Einzelheiten für ihren Arbeitsalltag. Er wollte alles über die Krankheiten wissen, die sie behandelt hatte, er wollte hören, wie es auf jedem einzelnen der Gehöfte stand, und er genoß es, daß man sich allgemein so sehr um ihn sorgte. Er erinnerte sie daran, das Flugzeug täglich zu überprüfen, obwohl sie jetzt einen Wartungsmechaniker hatten; der Pilot brauchte nichts anderes mehr zu tun, nur noch zu fliegen.
An den Nachmittagen lag er auf dem Liegestuhl auf Cassies Veranda und hielt hof; es schien, als suchte ihn die gesamte Bevölkerung von Augusta Springs irgendwann im Lauf der Woche auf. Manchmal brauchte Cassie überhaupt nicht zu kochen und stellte fest, daß sie enttäuscht war, wenn sie die Suppentöpfe und Kasserollen, die Pasteten, die Kuchen und die Blumensträuße vorfand, die für Sam abgegeben worden waren.
»Ich fühle mich majestätisch«, sagte er fröhlich.
Allmählich gewann er sein Gewicht und seine Energie wieder zurück, aber es war ein langsamer Prozeß. Selbst als es schon so schien, als sei er vollständig genesen, mußte er immer noch feststellen, daß er nicht die Energie aufbrachte, auch nur die Hälfte dessen zu tun, was er vorher getan hatte.
Beide genossen die langen Abende, an denen sie auf der Veranda saßen. Erst nach neun Uhr, wenn die Besucher gegangen waren, begannen sie, über Dinge zu reden, von denen sie in all ihren gemeinsamen Jahren nie geredet hatten.
»Weißt du, was mich an diesem ganzen Krieg am meisten überrascht hat?« fragte Sam eines Abends.
Cassie, die den Kopf an ein Kissen gelehnt und die Augen geschlossen hatte, schüttelte den Kopf. »Nein, natürlich nicht.«
»Du.«
Sie schlug die Augen auf und warf im Dunkeln einen Blick auf seine Silhouette. »Was hatte ich denn mit dem Krieg zu tun?«
»Ich habe mich dabei ertappt, daß ich an dich dachte, und darauf war ich nicht gefaßt. Zum Teufel, in der Zeit habe ich in dir noch nicht einmal eine Frau gesehen, und trotzdem hast du mir gefehlt.«
»Oh«, sagte sie und merkte, daß sie sich freute. »Was du vermißt hast, war unser Arbeitsalltag. Wir haben das immer so gut miteinander hingekriegt. Ich habe in dir auch nie einen Mann gesehen. Ich meine, nicht in der Form jedenfalls. Du weißt schon, was ich meine.« Warum empfand sie ihn dann heute anders, fragte sie sich.
Sam schwieg.
Er stand auf und ging ins Freie. Er setzte sich auf die Stufen und blickte zu den Sternen auf. »Komm raus. Diese Sterne mußt du gesehen haben. Das Kreuz des Südens ist klarer zu erkennen, als ich es je gesehen habe.«
Cassie rührte sich nicht vom Fleck. Sie hatte die Vorahnung, daß eine krasse Veränderung jeden Moment bevorstand, und sie wollte nicht, daß sich zwischen Sam und ihr etwas änderte. »Sam, du bist eine der wenigen Konstanten in meinem Leben.«
Er schaute immer noch zum Himmel auf. »Soll das heißen, du kannst nicht rauskommen und dir die Sterne ansehen?«
»Du bist einfach nur einsam, weil Liv fort ist.«
Er seufzte. »Cassie, in meinem Zusammenleben mit Liv bin ich einsamer gewesen, als ich es allein je war.«
»Warum hast du sie dann geheiratet?«
»Aus einem ganz dummen Grund. Ich habe es dir schon einmal gesagt. Sie war das erste Mädchen, das mir unter die Augen
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