Wer den Himmel berührt
Himmel.
»O Sam.« Und dann: »Was ist mit den Kindern? Wie kannst du ohne sie leben?«
»Die Einzelheiten müssen wir noch klären, aber sie wird in England bleiben. Ich nehme an, ich werde sie während der Schulferien bei mir haben. Das ist besser, als sie mit so großen Spannungen in der Familie aufwachsen zu lassen.«
»Was hat das bei dir ausgelöst?« Sie konnte seine Augen nicht sehen.
»Ich habe es selbst vorgeschlagen.«
»Und wie hat sie darauf reagiert?«
»Sie hatte mir denselben Vorschlag machen wollen. Was hältst du davon?« fragte er.
»Warum hast du gesagt, daß das jetzt keine Rolle mehr spielt?«
Er zögerte. »Die Dinge scheinen jetzt anders zu liegen als noch vor einer Woche.«
Sie wußte, was er meinte.
Sei meinen Kindern eine Mutter, Cassie.
Er fragte noch einmal: »Also, was ist, was hältst du davon?«
»Ich weiß es nicht«, sagte sie. »Es kommt so überraschend.«
»Wirklich, Cassie? Kommt es wirklich so überraschend?«
Sie kroch unter die Decke und schloß die Augen.
Kam es wirklich überraschend?
56
E twas veränderte sich.
Als Cassie sich darüber klar wurde, konnte sie nicht augenblicklich den Finger darauf legen und genau sagen, wann es sich geändert hatte oder warum.
Die Zufriedenheit, die sie in den letzten Monaten vor Fionas Tod verspürt hatte, war geschwunden. Aber sie war zu sehr damit beschäftigt, sich um die Menschen auf Tookaringa zu kümmern, um wahrzunehmen, daß das Glück sie verlassen hatte. Als sie es dann erkannte, setzte sie im ersten Moment als selbstverständlich voraus, es käme daher, daß Fiona tot sei.
Und dann erkannte sie, daß das Geplänkel zwischen ihr und Sam, das sie immer gewohnt gewesen war, nicht mehr existierte. Er war jetzt schweigsam, wenn sie beruflich rausflogen. Er war so hilfsbereit wie schon immer; sein Umgang mit den Leuten, die auf den verschiedenen Gehöften arbeiteten, war unverändert, und es wurde immer viel gelacht. Er leistete Cassie medizinisch Beistand und witterte, wenn sie Hilfe brauchte – sie mußte ihn nie darum bitten. Er stand neben ihr bereit und war immer da, wenn sie ihn brauchte, nie aber wenn er im Weg hätte stehen können. Er las immer in ihr wie in einem Buch. Aber seine Lebensfreude war geschwunden. Und die Intimität, die sich zwischen ihnen herauszubilden begonnen hatte, gehörte der Vergangenheit an.
Jeden Freitag flog sie am späten Nachmittag mit Blakes Hubschrauber nach Tookaringa und meldete sich am Samstagmorgen bei Horrie. Das Funkgerät auf Tookaringa blieb ständig eingeschaltet und war auf der richtigen Frequenz, um Notrufe aufzufangen. Cassie machte Spiele mit den Kindern, führte belanglose Gespräche mit Steven und Blake, ritt mit ihnen aus und bemühte sich, sie alle zum Lachen zu bringen. Viel gab es nicht, womit sie das erreichte. Keiner von ihnen fand, daß man in einem Leben ohne Fiona viel zu lachen hatte. Blake flog sie an den Sonntagnachmittagen in die Stadt zurück. Steven war derjenige, der immer sagte: »Ich weiß nicht, was wir ohne dich täten, Cassie.«
Da sie die Woche über durcharbeitete und sich an den Wochenenden emotional erschöpfte, war Cassie nicht dazu aufgelegt, für die üblichen Treffen am Montagabend zu kochen. Romla sagte, das verstünde sie, und sie lud Cassie ein, im Hotel zu Abend zu essen, doch Cassie wollte nur einen Happen zu sich nehmen und früh ins Bett gehen. Eines Montags wurde das Treffen gegen Ende der Sprechstunde abgesagt. Sam sagte: »Möchtest du, daß ich uns ein paar Hamburger hole?«
Cassie schüttelte den Kopf. »Ich will mich einfach nur ins Bett legen.« Sie war schon vor neun eingeschlafen.
Während Cassie ihre Wochenenden im Norden verbrachte, wurde Sams und ihre Beziehung förmlicher, als sie es vor elf Jahren gewesen war. Wenn sie die Zeit dazu fand, fragte sie sich nach den Gründen. Eines Freitags um die Mittagszeit, als sie von einem Noteinsatz im AIM -Hospital in Birdsville zurückflogen, nachdem sie dort genächtigt hatten, sagte Sam: »Du fliegst heute abend zu den Thompsons rauf?«
»Mhm.« Cassie schien es, als sei sie noch nie so müde gewesen wie in den beiden letzten Monaten seit Fionas Tod.
Sam nickte und kniff die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen.
»Was ist?«
»Ach, nichts weiter. Seit Fionas Tod hast du kein einziges Wochenende mehr in der Stadt verbracht.«
»Diese Kinder brauchen mich.«
»Ja. Klar.«
»Und was soll dieser Tonfall bedeuten?«
»Nichts.«
Da sie ihm glauben wollte, tat sie
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