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Wer den Himmel berührt

Wer den Himmel berührt

Titel: Wer den Himmel berührt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bickmore
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über viele Meilen und konnten die Coolibahs am Flußbett sehen und sogar auf den Fluß blicken, wenn er Wasser führte. Sie konnten sehen, wie der Staub in rötlichen Wolken aufstieg und Rudel von Wildpferden durch die Wüste rasten. Sie konnten Fremde schon aus einer Entfernung von vielen Meilen nahen sehen.
    »Wir haben den Leuten Bescheid gesagt, daß Sie um elf Uhr hiersein werden«, sagte Marianne, »aber wir haben im Moment keine Notfälle zu verarzten. Im Grunde genommen übernehmen wir für die Hälfte der Zeit die Arbeit von Ärzten. Wir ziehen Zähne …« Das schien hier draußen, so weitab von jeglicher Zivilisation, das verbreitetste Leiden zu sein, dachte Cassie. »… Und wenn die Frauen es sich nicht leisten können, nach Brisbane rüberzufahren oder runter nach Adelaide oder auch nur rauf nach Augusta Springs, um dort die Geburt ihrer Kinder zu erwarten, dann helfen Brigid und ich auch bei den Entbindungen. Wir sind natürlich immer nervös, weil wir fürchten, jemand könnte einen Kaiserschnitt brauchen, und dafür sind wir nicht wirklich qualifiziert. Wir haben schon mit Steißgeburten zu tun gehabt, und einige waren recht riskant. Wir bemühen uns, die Frauen ins Krankenhaus zu holen, aber im allgemeinen endet es damit, daß wir zu ihnen rausfahren müssen.«
    »Ich bin beeindruckt«, sagte Cassie, der der Entschluß der Krankenschwester, hier zu arbeiten, eine Art Ehrfurcht einflößte. Sie selbst hatte sich freiwillig anerboten, zwei Jahre an einem Ort zu verbringen, den sie für einen abgelegenen Winkel gehalten hatte, – aber Yancanna lag tatsächlich inmitten des Nichts.
     
    Der Chef unterhielt sich mit Sam. »Erst kürzlich ist es hier zu einer Tragödie gekommen. Vor drei Wochen hat dieses Gestrüpp dort«, sagte er und deutete auf die endlosen Meilen von Mulga, »wieder zwei Opfer gefordert. Zwei kleine Jungen, drei und vier Jahre alt, sind schlichtweg verschwunden. Mrs. Benbow hat sie auf der Veranda gelassen, während sie sich auf den Weg gemacht hat, um Lebensmittel zu besorgen, und als sie zurückgekommen ist, waren sie weg. Kein Anzeichen von ihnen war zu sehen. Keine Spuren. Etwa sieben Meilen östlich von hier. Alle im Umkreis von dreißig Meilen sind gekommen, um bei der Suche zu helfen. Sie haben sogar nachts gesucht, sind aber auf keine Spur gestoßen, obwohl die besten Spurenleser unter den Aborigines dabei geholfen haben. Es ist nichts dabei herausgekommen. Die Mutter ist außer sich vor Verzweiflung.«
    »Das wäre ich auch«, sagte Cassie und erschauerte bei dem Gedanken.
    Marianne nickte zustimmend. »Ich habe gehört, daß sie nachts rausgeht und nach ihnen ruft. Sie kocht jeden Abend das Essen, und wenn sie sich an den Tisch setzt, sagt sie zu ihrem Mann, daß sie warten müssen, bis die Kinder vom Spielen zurückkommen.
    Und ich koche uns jetzt einen Tee«, sagte Marianne. »Ich glaube nicht, daß heute viele Leute kommen werden. Wir brauchen Sie in erster Linie dafür, daß wir uns bei Ihnen Rat holen können, wenn wir feststellen, daß sich ein Problem für uns als unlösbar erweist oder wenn wir einen Notfall haben. Wir hätten mindestens ein halbes Dutzend Leben retten können, wenn wir einen Arzt zur Hand gehabt hätten, soviel steht für mich fest. Sie machen sich gar keine Vorstellung davon, wie phantastisch wir es finden, zu wissen, daß Sie hier sind. Entschuldigen Sie mich einen Moment.«
    Cassie schaute aus dem Fenster. Sie hörte, wie der Chef zu Sam sagte: »Ja, ich bin für eine Region zuständig, die größer als jeder andere Verwaltungsbezirk im ganzen Land ist. Ich wußte nicht, worauf ich mich eingelassen habe, als ich vor fünf Jahren aus England hergekommen bin. Ich bin der einzige Vertreter des Gesetzes in einem Gebiet, das größer als die meisten Länder Europas ist!« Er lachte, und aus seiner Stimme war Stolz herauszuhören. »Ich trage viele Hüte. Ich bin der Beschützer der Aborigines – Menschen, die mir ans Herz gewachsen sind. Sie laden mich zu ihren lauten nächtlichen Korroboris und zu ihren Initiationsriten ein, und ich bin der erste Weiße, der dort geduldet wird. Den Frauen ist natürlich kein Zutritt gestattet. Frauen messen sie keinerlei Bedeutung zu. Aber ich empfinde es als ein Privileg, ihr Vertrauen gewonnen zu haben. Ich mag sie. Mir scheint es, als seien sie integer und geschickt. Sie können Spuren lesen, wie es ein Weißer niemals könnte. Sie haben ihre Stammesgesetze und Traditionen, die ich respektiere. Sie wissen,

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