Wer den Himmel berührt
ausgelesen hat, bringt es hierher. Wir haben schon eine recht gute Sammlung. Wenn allerdings ein Schwung Viehtreiber durch die Stadt kommt und jeder von ihnen sich ein Buch mitnimmt, dann haben wir gewissermaßen Ebbe. Aber wir bekommen ständig Bücher von Leuten. Denken Sie daran, wenn Sie welche übrig haben. Wir können immer Bücher gebrauchen. Ich wette, die Menschen im Busch sind so ziemlich die belesensten Leute auf der ganzen Welt.«
»Wenn man nicht liest, kann man zu leicht verrückt werden«, sagte Hermione.
Da keine Patienten zu behandeln waren, blieben sie nicht lange in Yancanna. Vor ihrem Aufbruch schalteten sie sich in die Elfuhrsprechstunde der Fliegenden Ärzte ein, erkundigten sich bei Horrie, ob irgendwo ärztliche Soforthilfe gebraucht wurde, und Cassie erteilte Ratschläge an zwei Gehöfte, die wegen kleinerer Probleme angerufen hatten.
»Tut ihr mir einen Gefallen, ja?« fragte Horrie. »Kommt hierher zurück, sobald ihr könnt. Betty ist hier, und wir wollen heute abend heiraten. Ihr könnt die Sprechstunde um Viertel vor fünf übernehmen, und wir dachten, dann könnten wir heiraten, und wir könnten anschließend alle miteinander zu Abend essen.«
Als Cassie sich im Flugzeug entspannte und die Augen schloß, überlegte sie sich, daß sie, so gern sie Horrie auch mochte, froh war, nicht an Bettys Stelle zu sein. Die Vorstellung, in dieser kleinen Wellblechhütte leben zu müssen; die Vorstellung, einen Mann genug zu lieben, um sich darauf einzulassen; die Vorstellung, daß das die äußeren Begrenzungen des Lebens sein sollten – diese Gedanken machten Cassie zu schaffen. Und wenn sie Horrie auch noch so gern mochte, so konnte sie sich doch nicht vorstellen, er könnte die Grenzen ihres Innenlebens darstellen.
Sie fragte sich, wie ihr Leben wohl verlaufen wäre, wenn Ray sich nicht entschieden hätte, zu seiner Frau zurückzukehren.
Nun, jetzt wurde ihr Leben durch nichts eingeschränkt. Gab es nur dann Einschränkungen – innere und äußere –, wenn es einen Mann im Leben einer Frau gab? Sie seufzte; darauf hatte sie keine Antwort parat. Vielleicht war sie sogar an den Punkt gelangt, an dem sie froh war, daß Ray Graham die Entscheidung getroffen hatte, die er getroffen hatte. Vielleicht spielten sich gerade hier, so weit von jeder Stadt entfernt, die wirklichen Abenteuer ab. Wo sonst hätte sie einen Speer aus einem Aborigine gezogen? Wo sonst würde sie Hunderte, vielleicht sogar Tausende von Meilen in der Woche fliegen? Wo sonst hätte sie Menschen wie Steven und Jennifer kennengelernt? Wie Fiona? Wie Don McLeod? Wie diese Menschen in Yancanna und Schwester Ina in Narrabinga.
Nirgends sonst, soviel wußte sie. Ein Lächeln glitt über ihr Gesicht, als sie auf dem Sitz neben Sam einschlief.
Horrie und Betty erwarteten sie auf der Rollbahn. Betty war eine lebhafte, lockige Blondine mit dem Gesicht einer Babypuppe, und sie reichte Horrie kaum bis an die Schultern. Sie trug ein Kostüm aus Schantungseide, und ihr kleiner Strohhut hatte einen Schleier und war an den Seiten mit Blumen versehen, die ihr über die Ohren fielen.
Auf dem Weg zur Kirche, während des gesamten Zeremoniells und auch als sie durch den Gang schritten, um die Kirche zu verlassen, hatte sie sich an Horries Arm geklammert.
»Sie ist goldig«, sagte Sam, als er und Cassie den beiden durch den Gang folgten. Horrie hatte ihnen noch nicht einmal die Zeit gelassen, sich umzuziehen.
»Betty Wallace«, sagte Betty gerade. »Ist das nicht ein reizender Name? Ich frage mich, ob ich mich je daran gewöhnen werde.«
Sie machten sich auf den Weg zu »Addie’s«, und dort bestellte Sam Champagner, um auf die Frischvermählten anzustoßen.
Betty kicherte. »Ist das nicht einfach das Größte? Überlegt euch nur, wenn ich jemanden zu Hause in Kerrybree geheiratet hätte, dann wäre ich jetzt nichts weiter als Hausfrau. Hier werde ich eine echte Hilfe sein.«
»Das kann man wohl sagen.« Horrie grinste und hielt ihre Hand fest in der seinen. »Aber ich glaube, ich warte bis morgen, ehe ich dir das Morsealphabet beibringe.«
Sie lächelte ihn an. »Ist er nicht der Größte?« fragte sie, ohne sich an jemand Bestimmten zu wenden.
Sam sagte: »Die geht auf mich«, als die Kellnerin die Flasche Champagner brachte. »Und die Steaks auch.« Er hob sein Glas. »Auf euch und darauf, daß ihr ein Leben lang glücklich miteinander sein werdet.«
Horrie warf ihm einen dankbaren Blick zu.
In dem Moment spürte Cassie eine
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