Wer den Himmel berührt
früh.« Sie nahm ihre Handtasche vom Kaminsims und ging. Isabel seufzte. »Ich muß ein wenig schlafen«, sagte sie und konnte die Augen kaum noch offenhalten. »Nur ein paar Minuten vor dem Abendessen.« Sie und Chris hatten kein Wort miteinander gewechselt.
Chris stellte sein Glas hin, ging zu ihr rüber, hob sie hoch und trug sie vom Sofa ins Schlafzimmer, und dort legte er sie ins Bett und deckte sie mit einer leichten Decke zu.
»Mach die Tür nicht zu«, bat sie.
»Natürlich nicht«, sagte er. »Ich lasse sie doch immer offen.« Dann drehte er sich zu Cassie um und fragte: »Was halten Sie von einem kühlen Drink?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich muß jetzt wirklich auch aufbrechen. Ich muß das Abendessen für Fiona richten.«
»Ich mixe den besten Tom Collins weit und breit«, sagte er. »Sie haben doch keinen Nachtdienst, oder?«
Cassie lächelte. Er bemühte sich, nett zu sein. Das war seine Form, ihr zu zeigen, daß er ihre Hilfe zu schätzen wußte. »Tja, vielleicht, aber dann …«
»Ich habe gerade die zwei besten Steaks in der ganzen Stadt gekauft. Isabel hat nie genug Hunger, um etwas zu essen. Ich hatte gehofft, Sie würden mit mir zu Abend essen. Nicht etwa, daß ich ein besonders guter Koch wäre«, sagte er, »aber ich verstehe mich zumindest darauf, ein lächerliches Steak zu grillen, und meine Pommes frites sind einigermaßen phantastisch.«
»Wie könnte ich ein solches Angebot ausschlagen?« Sie wollte wirklich nach Hause gehen, zu Fiona – aber er unternahm geradezu heldenhafte Anstrengungen. »Lassen Sie mich Fiona anrufen.«
Fiona sagte: »Dein Flieger ist hier. Ich werde ihm deine Portion vorsetzen.«
»Horrie meldet sich um sieben bei einem Patienten. Wenn er mich sprechen will, weißt du, wo ich bin. Ich komme nicht allzu spät nach Hause.«
»Meine Güte. Dann will Chris also einiges wiedergutmachen, was? Er weiß, daß er in dir eine bessere Verbündete hat als in Edwards, diesem Trunkenbold. Gib keinen Millimeter nach. Laß dir von diesem Mistkerl jedes Lächeln mühsam abringen.«
Cassie lachte.
Sie ging in die Küche, in der Chris die Steaks grillte. Grüner Salat, Tomaten und Zwiebeln lagen auf dem Porzellantisch, der mitten im Raum stand.
»Soll ich vielleicht den Salat anrichten?« erbot sich Cassie.
Chris, der über den Grill gebeugt war, nickte. »Ja, gern.«
Sie wünschte, sie hätte grüne Paprikaschoten gehabt. Vielleicht würde sie einen kleinen Gemüsegarten anlegen und auch ein paar Kräuter anpflanzen. Im Geschäft schien es hier wirklich keine große Auswahl zu geben. Sie würde sich verschiedene Samen kommen lassen: Spinat, Radieschen, Paprika, Zwiebeln. Hinter dem Küchenfenster, wo es am späten Nachmittag schattig war, würde sie ihren kleinen Gemüsegarten anlegen.
Chris wendete die Steaks. »Wie mögen Sie Ihres? Sagen Sie bloß nicht, Sie wollen es durchgebraten.«
»Nein, medium, aber nicht blutig.«
Er holte Besteck aus einer Schublade und kam an den Küchentisch. »Ich vermute, wenn ich mich für Ihre Hilfe vorgestern angemessen bedanken müßte, sollte ich mit Ihnen in das beste Restaurant von Sydney fliegen.«
»Es freut mich, daß ich helfen konnte. Es war eine grausige Operation. Ich hatte vorher noch nie bei einer Amputation zugesehen.«
»Mein Gott, Amputationen sind mir verhaßt. Meistens können die Patienten sich psychisch nicht damit abfinden. Sie glauben, ihr fehlendes Bein verursacht ihnen Schmerzen, und sie weigern sich, da hinzusehen, wo früher einmal eine Hand war. Sie fühlen sich nie mehr wirklich als ganze Menschen. Aber dieser Kerl, der ist ganz erstaunlich. Er macht jetzt schon Witze darüber. Er sagt, er sei verdammt noch mal selbst schuld daran gewesen und würde sich beim nächsten Mal besser vorsehen.«
Cassie stellte den Salat auf den Tisch.
Chris beugte sich zu dem Grill vor und nahm die beiden Steaks herunter. Ihr fiel auf, daß er aus dem Steak auf seinem Teller das zarte Filetstück herausgeschnitten hatte; er hob es für Isabel auf.
Sie suchte nach etwas, was sie sagen konnte. Er machte es ihr nicht leicht.
»Wie lange sind Sie schon hier draußen?« fragte sie, als sie sich setzte.
Er zuckte die Achseln. »Etwa achtzehn oder neunzehn Jahre, plus minus zwei. Direkt nachdem ich mein Studium abgeschlossen hatte, bin ich hergekommen.«
»Was auf Erden hat Sie dazu gebracht, hierherzugehen?«
Er warf einen Blick auf sie. »Was veranlaßt jeden einzelnen von uns herzukommen, hierher oder an
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