Wer den Himmel berührt
meine Gründe.«
Fiona hatte Cassie dabei geholfen, ein neues Kleid für die Party zu schneidern. In Augusta Springs konnte sie bestimmt nichts Schickes finden. Jetzt fragte sie sich, ob sie sich zu sehr herausgeputzt hatte.
»Wenn du keine Männer in deinem Leben haben willst, warum trägst du dann ein Kleid wie das, was wir gerade genäht haben?« fragte Fiona.
»Du hinderst dich selbst daran, das Leben zu genießen«, fuhr Fiona fort. »Nachdem es mir damals passiert ist, wußte ich, daß ich nicht so weiterleben kann, von der Welt abgeschnitten. Die einzigen Menschen, denen ich Raum in meinem Leben und in meinem Herzen zugestanden habe, waren meine Schüler. Aber das war nicht genug. Schließlich habe ich mich dann entschieden, allen Zutritt zu gewähren. Mein Herz ist groß genug für alle. Und als ich damit erst einmal begonnen hatte, war gleich alles viel einfacher.«
»Groß genug für alle, sagst du? Aber du wirst wieder verletzt.«
Fiona zuckte die Achseln. »Das kann schon sein. Aber nicht in dem Maß. Nicht so sehr wie damals, als mein Herz, meine Seele und jeder einzelne meiner Atemzüge einem einzigen Mann gehört haben. Jetzt drängen sich so viele Menschen in meinem Herzen, daß kein einzelner es für sich beanspruchen kann. Und ich schwöre dir, Cassie, das ist gesünder als deine Art, damit umzugehen und überhaupt keinen Mann in deinem Leben zu dulden. Du mußt in einem Umkreis von tausend Meilen die einzige alleinstehende Frau sein, um die sich die Männer nicht reißen. Und wenn du in den Spiegel schaust, sollten die Männer, die einzig und allein nach dem Aussehen gehen, wahrhaft vor unserer Veranda Schlange stehen. Aber du sagst, in den Monaten, die du hier verbracht hast, hat kein einziger Mann auch nur Annäherungsversuche unternommen. Du schüchterst sie ein, Cassie, genau das tust du.«
»Das macht mir nichts aus.« Sie zog sich das neue Kleid aus rosa Chiffon über den Kopf und drehte vor dem hohen Spiegel in ihrer Kleiderschranktür eine Pirouette.
»Sieh dich nur an!« Fionas Stimme war von Bewunderung erfüllt. »Du brauchst dich doch auf gar nichts einzulassen. Behandele sie einfach nur wie normale Menschen. Gib ihnen nicht ständig ein Gefühl von Unterlegenheit. Sei ein bißchen netter zu den Männern, Cassie. Ich habe nicht die Absicht, mich auf etwas einzulassen, zumindest im Moment nicht, aber Flirten macht doch wirklich Spaß.«
»Wie das geht, habe ich noch nie gewußt.«
»Du bist immer so ernst. Versteh mich bloß nicht falsch. Das ist gleichzeitig eine deiner Tugenden. Ich nehme an, ein Arzt sollte ein ernsthafter Mensch sein, damit die Leute Vertrauen zu ihm haben – zu ihr. Aber du brauchst dich nicht immer so zu geben, als seist du Ärztin. Und jetzt mach dich schon auf den Weg nach Tookaringa, und laß dich auf dieser Silvesterparty mal so richtig gehen.«
Vielleicht würde sie das sogar tun. Bisher war sie dort draußen noch auf keinen Mann gestoßen, vor dem sie sich hätte in acht nehmen müssen. Die meisten waren eher so wie Sam und zogen alberne, kichernde Mädchen vor, die voller Anbetung zu ihnen aufblickten. Die sie im Freien hinter den Scheunen küßten, während sie die Patienten ambulant behandelte. Arbeiten konnte man notfalls mit Sam. Nein, es war mehr als das. Mit ihm konnte man gut zusammenarbeiten. Er steuerte das Flugzeug und redete nicht allzuviel mit ihr, es sei denn, er wollte sie auf etwas hinweisen, wovon er glaubte, daß es sie interessieren könnte. Er half ihr klaglos, wenn es sich als nötig erwies. Er war nett zu den Menschen, mit denen sie in Kontakt kamen, mehr als nur nett. Er schien von Anfang an per du mit ihnen zu sein und auf vertrautem Fuß mit ihnen zu stehen. Er erinnerte sich genau daran, wer wie viele Kinder hatte und woher die Familien gekommen waren, ehe sie hier eingetroffen waren. Er wußte, wie lange sie schon auf ihren Höfen lebten. Wenn es Viehtreiber waren, erinnerte er sich daran, für wen sie vorher schon gearbeitet hatten. Er wußte, wie groß jedes einzelne Gehöft war, und er erkannte Orientierungspunkte auf eine ganz persönliche Art wieder.
Dort unten ist die Straße, die Dick Highland mit seinen eigenen Händen gebaut hat.
Oder:
Siehst du diesen Steinhaufen dort? Der ist schon seit mehr als siebzig Jahren da. Hier führt eine der Routen für den Viehtrieb durch, und vor langer Zeit haben ein paar Treiber Steine aufgehäuft und diesen Hügel aufgetürmt, um anderen zu signalisieren, daß sie dort Wasser
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