Wer den Himmel berührt
seien auf dem besten Wege, sich miteinander anzufreunden, aber dann tat oder sagte er etwas, was sie glauben ließ, daß er sie nicht besonders mochte. Einmal hatte er von ihr als seiner »Chefin« gesprochen. Ein anderes Mal hatte sie ihn zu einem Ranchverwalter sagen hören: »Frauen, die sich für Männer halten.« Sie war nicht bereit, sich daran zu stören.
Blake war noch nicht nach Hause zurückgekehrt, als Cassie und Sam auf Tookaringa eintrafen. Sie behandelte die Patienten, und dann tranken sie und Jennifer auf der Veranda Tee. Es war ein später Freitagnachmittag, und die Eingeborenen, die in dem großen Haus arbeiteten, reihten sich auf, um ihren Lohn in Empfang zu nehmen.
»Ich zahle ihnen«, sagte Jennifer zu Cassie, »einen geringen Lohn, und ich kleide sie ein. Ich bestehe darauf, daß sie jeden Morgen gewaschen und in sauberen Kleidern hier erscheinen. Ich erlaube ihnen niemals, mit den Lebensmitteln in Berührung zu kommen, niemandem mit Ausnahme von Ruby. Nur die wenigsten weißen Frauen lassen das zu, denn die Eingeborenen haben einfach nicht unsere Vorstellungen von Hygiene, aber sie machen die Betten und fegen die Böden und waschen die Wäsche, und all das mit einem gesunden Sinn für Humor. Sie lachen und plaudern viel miteinander.«
»Komisch, aber ich stelle mir nie vor, daß du ›arbeiten‹ könntest«, sagte Cassie. »Du wirkst immer so elegant und ausgeglichen.«
Jennifer sagte: »Wenn ich dich nicht ganz so gern hätte, wäre ich jetzt sauer. Ich habe das Gefühl, genausoviel Verantwortung zu tragen wie Steven und Blake. Ich muß den Bedarf für den Haushalt bestellen und die Vorräte im Auge behalten, ich muß täglich in die Vorratskammern und die Lagerräume gehen und dort alles holen, was gebraucht wird, und ich muß mir einen Überblick verschaffen, was wir auf Lager haben, darunter auch Medikamente. Ruby und ich planen gemeinsam die Mahlzeiten. Jeden Morgen um elf betreibe ich eine Art Apotheke. Sämtliche Aborigines, denen etwas fehlt, kommen, und ich teile Dutzende von Aspirintabletten am Tag aus. Ich muß entscheiden, ob ich ihnen etwas gegen Magenschmerzen verordnen kann, ob wir dich rufen sollten oder ob Beschwerden bis zu deiner nächsten Sprechstunde hier warten können und vorher nicht behandelt zu werden brauchen. Wie viele Wunden habe ich behandelt, bei wie vielen Entbindungen habe ich geholfen, und welche Geduld habe ich mir angeeignet. Ich habe gelernt, mit ihnen zu lachen und mit ihnen um ihre Kinder zu weinen, ich habe gelernt, welche Knochenbrüche und Verstauchungen ich über Funk melden sollte, aber ich werde diese Menschen niemals verstehen. Weißt du, diese Gelassenheit und diese Naturverbundenheit kann ich noch nicht einmal annähernd mit ihnen teilen. Ich kann mich nicht in ihre Spiritualität oder ihr Gefühl des Einsseins miteinander und mit dem Land einfühlen. Sie leben und denken so, wie sie es schon vor fünfundzwanzigtausend Jahren getan haben. So viele unter den Weißen sehen sie als von Natur aus faul, träge und schmutzig an. Sie sind schmutzig, weil Wasser einen solchen Seltenheitswert hat, daß sie sich einfach nicht vorstellen können, es dazu zu benutzen, sich zu waschen. Sie brauchen keine sauberen Hände, um Mahlzeiten zuzubereiten, weil sie von Maden und allem anderen leben können, was sie von selbst finden. Wir verlangen von ihnen, daß sie so denken wie wir, und das können sie ebensowenig, wie wir ihre Denkweise annehmen können.«
»Malst du sie deshalb – weil du sie liebst?«
»Das bezweifle ich«, sagte Jennifer, und in ihrem Gesichtsausdruck zeigte sich etwas wie Melancholie. »Sie faszinieren mich. Ich glaube nicht, daß ich sie liebe. Ich habe sogar den Versuch aufgegeben, sie verstehen zu wollen.«
»Kannst du sie nicht lieben, ohne sie zu verstehen?«
»Vielleicht können manche Menschen andere lieben, ohne sie zu verstehen. Ich kann es nicht. Ich bin der Meinung, daß Liebe etwas mit Gemeinsamkeit zu tun hat. Gemeinsame Erfahrungen. Gemeinsame Hoffnungen. Träume, die man miteinander teilt … Küsse. Gemeinsam erlebte Sonnenuntergänge. Für mich muß Liebe auf Gegenseitigkeit beruhen.«
»Das kaufe ich dir sofort ab.« Blakes Stimme eilte ihm voraus, ehe er in staubiger Kleidung mit dem Stetson auf dem Hinterkopf um die Hausecke bog. Als er Cassie sah, breitete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus. »Da soll mich doch der Teufel holen. Du hast es wirklich geschafft.«
Cassie fühlte sich plötzlich
Weitere Kostenlose Bücher