Wer den Himmel berührt

ausgeschlossen, daß Sie dann noch vor Einbruch der Dunkelheit nach Augusta Springs zurückkommen.«
    Cassie seufzte. »Okay, Sam, wir operieren.«
    »Das dachte ich mir schon.«
    »Er wird Ihnen helfen?« fragte Ian stirnrunzelnd.
    »Er ist mein Anästhesist«, sagte Cassie und klappte ihre Tasche auf. »Ich brauche kochendes Wasser und …«
    »Er wird meine Frau nackt sehen?«
    Sam zog die Augenbrauen hoch und sah Cassie fragend an.
    »Ich versichere Ihnen, Mr. James, wenn wir in der Stadt wären, würde sich ein männlicher Arzt Ihrer Frau annehmen. Ich glaube, wegen Sam brauchen Sie keine Bedenken zu haben. Und außerdem brauchen wir sie nicht vollständig zu entkleiden. Und jetzt besorgen Sie mir kochendes Wasser und saubere Handtücher.«
    Sam sagte: »Und kochen Sie Kaffee.«
    Ian James nickte.
    »Ich wasch’ mich jetzt«, sagte Sam.
     
    Während sie operierte, stieß Cassie auf eine Masse von Gewebe in der Uterusöffnung. »Ganz so, wie ich es vermutet habe«, sagte sie zu Sam, der den Äther verabreichte.
    »Was auch getan werden muß, ich weiß, daß du es schaffst.«
    Sie warf einen Blick auf ihn. »Derart uneingeschränktes Vertrauen hat mir noch niemand entgegengebracht.«
    Er grinste. »Es arbeitet auch niemand sonst Tag für Tag mit dir zusammen.«
    »Ich kann das Gröbste entfernen und dann eine Ausschabung vornehmen.«
    »Heißt das, daß sie das Baby verliert?«
    »Wie ich sehe, lernst du dazu. Ja. Und wahrscheinlich ist das auch gut so. Ihr Leben ist in Gefahr, vor allem in ihrem Alter.« Cassie weitete die Öffnung des Gebärmutterhalses und kratzte die Innenwand des Uterus mit einer Kürette aus. »Sie wird noch ein paar Tage lang eine leichte Blutung haben, und es wird zu Schmerzen im Becken und im Rücken kommen.«
    »Okay, du kannst den Äther jetzt wegpacken und Mr. James sagen, daß seine Frau wieder gesund wird. Wenn er will, kann er reinkommen und sie sehen, aber sie ist noch nicht bei Bewußtsein.«
    Sie wischte das Blut weg und packte ihre Instrumente zusammen. Sam kam nach wenigen Minuten wieder. »Er sagt, er kommt, wenn sie wieder bei sich ist. Im Moment versuchen er und ich, ein paar seiner Männer zusammenzutrommeln, weil wir versuchen wollen, das Flugzeug von der Stelle zu bewegen und es auf höheren Boden zu ziehen. Er hat einen Traktor und einen Landrover, und wir werden alle Männer zu Hilfe holen, die zur Verfügung stehen. Wahrscheinlich werden wir über Nacht bleiben müssen.«
    »Das war mir klar«, sagte Cassie laut. Zu sich selbst sagte sie: So ein Mist.

20
    I nnerhalb der nächsten fünf Wochen erhielt Cassie einmal wöchentlich Nachricht. Eine davon wurde ihr von einem einsamen Reiter überbracht. Ein anderes Mal war es der reguläre Postbote Mr. Broome. Dann wieder landete ein einmotoriges Flugzeug, das noch nicht einmal den Motor ausschaltete. Der Pilot sprang aus dem Cockpit, um dem Fluglotsen das verknitterte Blatt Papier zuzuwerfen, der es dann zur Funkzentrale brachte.
    In einer Woche lauteten die wenigen Worte:
»Verdammt noch mal. Ich kann an nichts anderes als an dich denken.«
Sie waren mit einem schwungvollen »B« unterschrieben.
    In der kommenden Woche wurde ihr mitgeteilt, daß er unter den Sternen lag und an sie dachte und daß ihm das Zusammentreiben des Viehs erstmals als eine lästige Aufgabe und nicht als die reine Freude erschien, weil es ihn von ihr fernhielt. Er teilte ihr mit, er hätte nicht vor, sie ein Leben lang in Geborgenheit zu wiegen, sie sollte daher »vorbereitet« sein. In der dritten Woche schrieb er:
»Hast du mich nachts neben dir in deinem Bett wahrgenommen? Hast du meine Küsse beim Erwachen gefühlt? Du hast die ganze Woche über mit mir in meinem Schlafsack gelegen. Ich will dich riechen, dich in meinen Armen halten, dich einatmen. Ich will mit dir unter den Sternen liegen, und ich will dir das Land zeigen, das ich liebe. Während ich umherreite, will ich all das mit dir teilen, und daher laß dir um Gottes willen etwas einfallen, wie du wenigstens das letzte Wochenende dieses Monats in Tookaringa verbringen kannst. Erzähl mir bloß nicht, es ginge nicht. Finde eine Möglichkeit.«
     
    »Ich möchte ein Wochenende auf Tookaringa verbringen«, sagte sie zu Sam.
    Er riß den Kopf hoch und grinste. »Aha. Darf ich wohl zu glauben wagen, daß den guten Doc die Liebe ereilt hat?«
    »Soweit würde ich nicht gehen.« Aber wenn es das nicht war, dann wußte sie nicht, was es sonst war.
    Zeitweilig glaubte Cassie, sie und Sam