Wer den Tod begruesst
reißen und unter sich zu begraben. Als sie ihren Blick schließlich hob, sah sie sowohl entschlossen als auch vorsichtig aus. »Erzähl es mir.«
Er überlegte einen Moment und beschloss dann, dass sie es wissen musste. »Wenn du in den Krieg ziehst, weißt du nie, ob du zurückkommst, und wenn du es tust, weißt du nie, wie du zurückkommst. Manchmal kann man einen nur an Körperteilen identifizieren. Ich bin nur auf Nummer Sicher gegangen.«
Tränen schimmerten in ihren Augen.
Er widerstand dem Bedürfnis, sie wegzuküssen.
Sie setzte sich mit ihrer ganzen warmen, feuchten Hitze auf ihn.
»Liebe mich«, flüsterte sie, nichts als taufrische, weiche Haut und schimmernde Augen und ein Körper, der so heiß war, dass er befürchtete, sich daran zu verbrennen.
»Bitte«, sagte sie, beugte sich über ihn und streifte mit ihren Brüsten seine Brust, mit ihren Lippen seine.
Wehrlos ihr gegenüber, wie er noch nie in seinem Leben wehrlos gewesen war, gab er auf, gab er nach. Ließ zu, dass sie ihn tief in sich aufnahm. Ließ sie noch ein wenig tiefer in sich eindringen. Glaubte, wenn auch nur in diesem Moment, dass seine Welt in Ordnung war, solange sie bei ihm war.
21
Nolan erwachte aus tiefstem Schlaf. Er riss die Augen auf. Sein Herz klopfte wie im Marschrhythmus; er ächzte und atmete stoßweise.
Selbst als ihm bewusst wurde, wo er sich befand – er war nicht im Irak und er sah nicht zu, wie Nelson verblutete –, ließ der Adrenalinschub nicht nach. Er starrte an die Decke und realisierte langsam das Plätschern des Wassers gegen den Rumpf der EDEN, den warmen, schlafenden Körper neben sich, und der Albtraum kroch zurück in die Dunkelheit.
Er atmete tief ein. Und nahm ihren Duft wahr.
Draußen kreischten die Möwen wie rostige Gangschaltungen. In der Ferne konnte er das gedämpfte Schnurren eines Schiffsmotors hören, der sich durch das Netzwerk der Liegeplätze arbeitete und in Richtung offenes Wasser fuhr. Er schloss die Augen und griff zurück auf die Entspannungstechnik, die er unzählige Male nach unzähligen Feindangriffen benutzt hatte, und schließlich wirkte sie.
Jillian schlief neben ihm und hatte nichts mitbekommen von seinem Albtraum.
Sie war erschöpft. War das etwa ein Wunder? Hatte nicht allein der Stress durch ihren Bedroher dafür gesorgt, dann bestimmt das, was letzte Nacht in dieser Koje stattgefunden hatte.
Und er würde jetzt verdammt noch mal die Finger von ihr lassen, bevor er wieder den Kopf verlor und sie vor Erschöpfung ins Koma fiel.
Er stieg vorsichtig aus dem Bett, um sie nicht aufzuwecken. Dann stand er da und war unfähig, wegzugehen.
Herrgott. Sieh sie bloß an. Er raufte sich die Haare. Sogar im Tiefschlaf und völlig kaputt vom Sex sah sie hoheitsvoll aus, genau wie die Prinzessin, die sie war.
Es wurde Zeit, sich der Realität zu stellen. Obgleich es eher danach aussah, als würde er sich seinen Gefühlen stellen, denn zum ersten Mal in seinem Leben hatte er mit einer Frau geschlafen, bei der es nicht nur um Sex gegangen war. Klar, es war toller Sex gewesen. Okay, unglaublicher Sex. Aber es war auch noch mehr gewesen.
Jedenfalls für ihn. Es ging um Mögen und Teilen und … Liebe.
War das nicht der Hammer?
Wenn es nicht so jämmerlich wäre, wäre es zum Lachen.
Er konnte sich dagegen wehren, es leugnen, sich selbst belügen, bis der Irak der einundfünfzigste Staat der USA geworden wäre, aber er konnte nicht länger davonlaufen. Die Wahrheit verfolgte ihn hartnäckig wie ein Schatten, gnadenlos und fordernd, es endlich einzusehen.
Im Dunkel der Nacht hatte er es endlich eingesehen. Als sie zu ihm gekommen war, klein und stark, zerbrechlich und entschlossen, hätte er sich nicht beirren lassen dürfen und sie wegschicken können. Er hätte sie wegschicken müssen. Um ihretwillen.
Er hatte es nicht getan. Um seinetwillen.
Er brauchte sie. Mehr als die Luft zum Atmen. Mehr als Wasser. In dem Augenblick und seitdem brauchte er sie, um die Leere in sich zu vertreiben. Um die Verzweiflung zu vertreiben. Brauchte er sie so sehr, dass es schmerzte.
Also hatte er genommen. Und sie hatte gegeben. Jetzt musste er das Durcheinander beseitigen, das durch seine Selbstsucht entstanden war.
Sie glaubte, sie würde auch für ihn etwas empfinden. Möglicherweise glaubte sie sogar, dass sie ihn liebte. Er wusste es besser. Weil er wusste, wer er war. Sie wusste es nicht. Sobald sie es täte, sobald sie sein Beschützerimage durchblickte, würde ihr bewusst werden,
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