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Wer einmal auf dem Friedhof liegt...

Wer einmal auf dem Friedhof liegt...

Titel: Wer einmal auf dem Friedhof liegt... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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ich
vermutet habe, beschränkt man sich auf ein Postfach: Nr. 12, Postamt 90, Paris
9e. Die Ausgabe wurde in einer „Spezial-Druckerei“ hergestellt, Rue Nie-gehört,
Nr. Nicht-zu-finden. Der geschäftsführende Direktor scheint unter einer Art
Künstlernamen zu arbeiten: Lucien Dupont. Wenn das ein Witz sein soll, ist er
auf jeden Fall gut gelungen.
    Ich angle aus dem Handschuhfach meinen
Stadtplan, in dem viele nützliche Ratschläge zu finden sind. Zum Beispiel die
genauen Adressen von Friedhöfen und Postämtern, geordnet nach Arrondissements
und laufenden Nummern. DasAmt Nr. 90 befindet sich in
der Rue Duperré, Ecke Rue Fontaine.
    Ich fahre hin, um zu sehen, wie’s
aussieht. Es sieht nach 1900 aus. Aber das interessiert mich gar nicht. Eher
schon die Postfächer. Sie sind so angeordnet, daß ich sie leicht überwachen
kann. Ich erkundige mich, wann geleert und verteilt wird. Dann rufe ich von
einer Telefonzelle aus Roger Zavatter an, den geschniegelten Modegeck unter
meinen Mitarbeitern.
    „Arbeit für Sie“, melde ich ihm.
    „Welcher Couleur?“
    „Blond, Dany Darnys, Avenue de Wagram.“
    „Der frischgebackene Star?“
    „Genau der.“
    „Was soll ich mit der Dame machen?“
    „Sie ist seit einer halben Stunde
unsere Klientin. Ich möchte mehr über sie wissen. Erkundigen Sie sich, womit
sie ihre Tage und Nächte verbringt. Und mit wem. Ein gewisser Marcel Viénot
gehört zu ihren Bekannten. Ich auch zu seinen, aber er nicht zu meinen.“
    „Davon gibt’s ja mehrere.“
    „Mich interessiert nur Marcel Viénot
und die übrigen Bekannten von Dany Darnys. Vielleicht steht das mit dem
Désiris-Selbstmord in Verbindung. Désiris hatte was mit Autos zu tun, dieser
Viénot auch.“
    Wieder in meiner Agentur Fiat Lux, hab
ich das Gefühl, mich um Dinge zu kümmern, die mich nichts angehen. Aber das ist
nicht das erste Mal.
    Ich nehm eine Visitenkarte, auf er
nichts als mein Name steht, ohne Berufsbezeichnung. Unter NESTOR BURMA schreibe
ich: ... grüßt hochachtungsvoll den Herrn Direktor von Prickelndes Paris und
wünscht vertrauliche Informationen. Die Visitenkarte stecke ich in einen
auffälligen Umschlag — hellrot — , klebe ihn zu und schreibe
Adressaten samt Postfach drauf.
    Die Zeit bis zur Schließung der
Postämter nutze ich dazu, mit meiner Sekretärin Hélène über die prickelnde
Zeitschrift zustreiten. Dann fahre ich wieder in die Rue Duperré und werfe
meinen dünnen Brief in den Briefkasten.
    In diesem Moment bin ich bestimmt der
einzige in Paris, der für einen so kurzen Brieftransport so viel Geld bezahlt.
Zwanzig Francs für fünf oder sechs Meter, die Entfernung zwischen Briefkasten
und Postfach. Kein Wunder, daß ich immer blank bin.

Régine
     
    Am nächsten Morgen um Punkt acht
bezieh ich Posten auf dem Postamt 90. Als Aufenthaltsgenehmigung kaufe ich eine
Briefmarke, mit der ich mich unauffällig in einen Winkel verziehe. Mit einem
Auge schiele ich zum Postfach Nr. 12 hinüber, mit dem anderen lese ich die
Zeitungen, die ich mir unterwegs besorgt habe.
    Gegen zehn Uhr schließt ein junger
Kerl das Postfach auf. Einer von den eingebildeten Lackaffen, die sich für
furchtbar schlau halten. Mein roter Briefumschlag fällt ihm direkt vor die
Füße. Er hebt ihn auf, sieht ihn von allen Seiten an (viele davon scheint’s
nicht zu geben) und steckt ihn dann schließlich, zusammen mit der restlichen
Post, in eine Ledermappe. Als er das Postamt verläßt, sitze ich schon hinterm
Steuer meines Dugat. Der Halbstarke geht zu einem eher bescheidenen, nicht
besonders sauberen Auto, das gegen die Vorschrift direkt vor dem Eingang parkt.
Eigentlich ist der Platz für die Wagen der Post reserviert. Der Junge steigt
ein und fährt los. Ich häng mich an seine Hinterräder.
     
    * * *
     
    Er lotst mich zum Boulevard Berthier,
wo er seinen Wagen parkt. Mit der Ledermappe in der Hand geht er in eine Villa,
deren Fassade dringend gereinigt werden müßte. Die Räume in der ersten Etage
mit Rundumverglasung waren wohl früher ein Atelier, das in ein Fotostudio
umgewandelt wurde. Ich warte ein paar Minuten für den Fall, daß der Kurier sich
nur kurz in dem Haus aufhalten sollte. Aber ich glaube eher, daß dies hier der
verborgene Sitz des Prickelnden Paris ist. Ich gehe zur Haustür und
drücke auf den Klingelknopf. Die Tür wird einen Spaltbreit geöffnet, so als
wolle sie sich sofort wieder schließen. Der Junge, der gerade die Post
abgeliefert hat, sieht mich erstaunt an. Die kriegen hier wohl

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