Wer einmal auf dem Friedhof liegt...
Doppelgängerin
ausfindig machen will.
„Doch, das reicht wohl“, sage ich
nickend.
Sie füllt das Formular aus und reicht
es mir. Um es anzunehmen, muß ich das Prickelnde Paris aus der Hand
legen. Es ist eine nagelneue Nummer, die noch vor kurzem der Länge nach
gefaltet war.
„Wie sind Sie an dieses Exemplar
gekommen?“ erkundige ich mich.
„Ich hab’s vor drei Tagen mit der Post
bekommen.“
„Hab ich mir gedacht. Als Brief, im
geschlossenen Umschlag?“
„Ja, sehr diskret.“
„Haben Sie eine Idee, wer der mögliche
Absender sein könnte?“
Sie lacht.
„Oh! Bestimmt ein Freund. Einer dieser
wunderbaren Freunde, mit denen wir in unserem Beruf immer rechnen können. Er —
oder sie — wollte mir eine Freude machen.“
Oder die Herausgeber des Magazins, als
Visitenkarte, freundliche Empfehlung oder höflicher Warnschuß zum Auftakt von
ernsten Unterhaltungen auf dem Hintergrund konkreter Musik.
„Gut, dann werd ich mich also auf die
Suche machen“, sage ich. „Sobald ich Namen und Adresse ihrer Doppelgängerin
habe, sag ich Ihnen Bescheid. Ein paar Tage wird’s allerdings wohl dauern...“
„Ich hab Vertrauen in Ihre
Fähigkeiten. Sie gelten als schnell und geschickt.“
„Hat man Ihnen das gesagt?“
„Ja.“
„Wer?“
„Monsieur Viénot. Marcel hat mir
geraten, Sie anzurufen. Kennen Sie ihn?“
„Nein. Einer Ihrer Freunde?“
„Ja.“
„Einer von denen, die Sie eben erwähnt
haben?“
„Oh, nein! Marcel Viénot ist kein
Schauspieler. Er arbeitet in der Automobilbranche. Ein wirklicher Freund.
Kein... äh... Rivale.“
„A propos... Könnte einer Ihrer
Rivalen — oder eher noch Rivalinnen — die Zeitschrift geschickt haben?“
„Tja... Da kämen gleich zwei in
Frage.“
Ich notiere mir die Namen.
„Im Moment wär das wohl alles,
Mademoiselle. Ich schreib mir nur noch die Redaktionsanschrift des Magazins
auf...“
„Sie können die Ausgabe mitnehmen.
Vielleicht hilft sie Ihnen ..
Ja, in einsamen Stunden! Ich stecke
das Prickelnde Paris ein. Dany Darnys erhebt sich, streicht ihren Rock
über den schlanken Schenkeln glatt und geht vor mir in den Korridor. Während
ich mir meinen Mantel überziehe, kämpft meine Gastgeberin an der Tür mit
Schlössern und Ketten. Der ganze übertriebene Sicherheitskram! Offensichtlich
findet sie selbst das auch einigermaßen lächerlich. Entschuldigend erklärt sie:
„Ich bin nicht ängstlicher als andere, aber nachdem ich überfallen worden
bin...“
„Überfallen?“
„Ja, lesen Sie keine Zeitung? Vor
einem Monat wurde über nichts anderes geschrieben... kurz bevor meine Filme
rauskamen.“
Das ist der springende Punkt! Kurz
bevor ihre Filme rauskamen, ihre beiden ersten, und bis jetzt auch einzigen.
Sie sind gleichzeitig gespielt worden und haben Dany Darnys über Nacht zum Star
gemacht.
„Zwei Männer sind mir gefolgt...“
Ich lächle innerlich. ,Einer für jeden Film’, muß ich unwillkürlich denken. Laut
sage ich, höflich wie ich bin:
„Ach ja, ich erinnere mich.“
Dany Darnys und ihr mysteriöser
Überfall! Alles erlogen und erstunken! Nichts weiter als ein Werbetrick, der
nicht grade für die Fähigkeiten dessen sprach, der sich die Geschichte
ausgedacht hatte.
Und wenn es kein Bluff war? schießt es
mir plötzlich durch den Kopf. Wenn die beiden Männer sich in der Person geirrt,
die Schauspielerin für das Modell des Prickelnden Paris gehalten haben?
„Ja, doch, ich erinnere mich...“,
murmele ich noch einmal.
„Seitdem hab ich... Wie sagt noch
gleich ein Freund von mir, ein Psychoanalytiker? ... Ach ja, ein Trauma! Ich
bin sozusagen gezwungen, mich zu verbarrikadieren. Jedem, der mich zu intensiv
ansieht, unterschiebe ich schlechte Absichten. Und noch weniger empfehlenswert
ist es, mir Iris zu schenken. Ich hasse diese Blumen!“
„Ach! Warum denn?“
„Weil die beiden Männer, die mich
verfolgt haben, von nichts anderem geredet haben. Iris hier, Iris da...“
Ich werde hellhörig. Iris! Désiris!
Sollte die Leiche auf Umwegen wieder in Erscheinung treten? Ruhig, Nestor. Nur
nicht nervös werden. Nur nicht fabulieren, wie ihr Freund, der Psychoanalytiker,
ebenfalls sagen würde. Aber trotzdem...
„Könnten wir noch mal zurück in den
Salon gehen?“ frage ich. „Ich hätte noch ein paar Fragen wegen dieses Vorfalls
damals.“
Sie ist überrascht, geht aber auf
meinen Vorschlag ein.
„Antworten Sie bitte in aller Offenheit“,
beginne ich, als wir wieder im Salon sitzen. „War dieser
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