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Wer einmal auf dem Friedhof liegt...

Wer einmal auf dem Friedhof liegt...

Titel: Wer einmal auf dem Friedhof liegt... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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hoch.
    „Verpiß dich“, zischt er und wirft mir
einen giftigen Blick zu. „Deine vertraulichen Informationen kannst du dir
sonstwo...“
    „Da gehören sie auch hin“, unterbrech
ich ihn.
    „Die hat ‘ne Kamera kaputtgemacht“,
beschwert sich der Fotograf von oben.
    „Und dann will sie noch Geld sehn“,
japst der Dicke, krebsrot im Gesicht. „Raus, verdammt noch mal! Raus!“
    „Meine Klamotten!“ schreit die
eingeseifte Nymphe. „Ihr Geld können Sie sich von mir aus in den...“
    „Jetzt reicht’s aber“, fahr ich
dazwischen. „Werden Sie nicht auch noch ausfällig! Außerdem sind da schon die
vertraulichen Informationen drin...“
    Der Fotograf und Liebhaber reizvoller Modelle
verschwindet in seinem „Atelier“ und kommt mit einem Kleiderbündel wieder, das
er fluchend zu uns runterwirft. Das Mädchen zieht einen Unterrock aus dem
Knäuel und trocknet sich damit ab. Dann zieht sie ihr Kleid und einen
Pelzmantel über. Den Rest — Unterrock, Strümpfe samt Strumpfhalter usw. —
stopft sie in einen Beutel. Jetzt nur noch ein Kopftuch auf die nassen Haare
und Schuhe an die Füße, und schon ist sie aus-gehfertig. Zusammen verlassen wir
das gastliche Haus, inmitten von feindlichem Schweigen. Hinter uns wird wütend
die Tür zugeschlagen.
    Wir gehen ein paar Schritte in
Richtung Place de la Porte de Champerret. Plötzlich bleibt das Mädchen stehen
und sieht mich an. Ihre braunen Augen leuchten. Sie ist vielleicht keine
Titelblattschönheit, aber sie hat Charme, die Kleine. Ungeschminkt, grade dem
Bad entstiegen, sieht sie frisch und gesund aus, zum Anbeißen. Ein scharfer
Wind spielt mit den kastanienbraunen Haarsträhnen, die wie Fransen unter dem
Kopftuch hervorkommen.
    „Das war Klasse“, bemerkt sie.
    „Was war Klasse?“
    „Der k.o.-Schlag. Hat mir gefallen.“
    „Nicht der Rede wert“, sage ich
bescheiden.
    „Geben Sie öfter solche Boxeinlagen?“
fragt sie lachend. „Nein. Nur wenn ich so ‘ne widerliche Fresse sehe wie die
von diesem Dupont. Aber im allgemeinen halte ich mich
zurück. Davon gibt’s zu viele. Meine Zeit reicht nicht, um allen was auf die
Nase zu geben. Heute waren die Umstände besonders günstig...“
    „Sie haben ja keine prima Meinung von
den Menschen!“
    „So mittelprächtig.“
    „Vielleicht haben Sie recht“, sagt das
Mädchen nachdenklich und geht weiter. „Solche Typen wie Dupont und der
Fotograf...“
    „Tja...“
    „Und so Mädchen wie ich, hm?“
    Ihre Stimme wird aggressiv.
    „Los, sagen Sie’s schon! Huren,
stimmt’s? Das meinen Sie doch...“
    Sie schreit beinahe.
    „Ach, wissen Sie! Was ich so
meine...“, antworte ich. „Was heißt das schon: Huren? Ich persönlich seh das
nicht so eng.“
    „Sie sind ‘n komischer Heiliger!“
    Schon der zweite komische Heilige!
Ihre Stimme wird wieder normal:
    „Sie gefallen mir, wirklich...Monsieur...
äh... Wie heißen Sie eigentlich?“
    „Nestor Burma. Los, lachen Sie schon!“
    „Warum? Ich heiße Régine Monteil. Sie
gefallen mir, Nestor.“
    „Sagen Sie Nes. Das hört sich etwas
besser an.“
    „Gut, Nes.“
    „Sie meinen, mein k.o.-Schlag hat
Ihnen gefallen?“
    „Ja, ganz prima! Entschuldigen Sie
bitte meinen launischen Anfall gerade... Ich war wütend, auf mich selbst...“
Sie seufzt. „Ich weiß nicht, warum ich den Fotografen nicht rangelassen hab.
Einer mehr oder weniger, was macht das schon! Von irgendwas muß ich schließlich
leben... Aber dieser Kerl eben... Nein, der war wirklich zu widerlich!“
    „Bedauern Sie’s nicht, Régine! Wenn
man zu jemandem ,Scheiße !’ sagen will, soll man’s auch
tun. Ich bedaure auch nicht, daß ich dem fetten Schwein was in die Fresse gehaun habe. Aber so günstig war das für mich auch
nicht. Jetzt steh ich nämlich da und kann mir meine Informationen sonstwo
herholen, wie der Fettsack gesagt hat. Es sei denn...“
    Ich ziehe das Exemplar aus der Tasche,
das ich aus dem Mutterhaus wieder mitgenommen habe.
    „Kennen Sie vielleicht dieses
Mädchen?“
    „Warum fragen Sie?“
    „Ich suche sie.“
    „Warum? Zum Bumsen? Waren Sie wegen
ihrer Adresse bei
    Dupont?“
    „Ja. Name, Adresse, Telefonnummer.
Aber nicht wegen der Nummer, die Sie meinen. Ich such das Mädchen, weiter nichts.
Also, kennen Sie sie?“
    Nach kurzem Zögern entschließe ich
mich, ihr die volle Wahrheit zu sagen.
    „Dann wird Dupont also wieder ein
Modell verlieren?“ fragt Régine.
    „Ja.“
    „Das ist eine Freundin von mir.
Yolande Mège. Wir wohnen im

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