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Wer einmal auf dem Friedhof liegt...

Wer einmal auf dem Friedhof liegt...

Titel: Wer einmal auf dem Friedhof liegt... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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geschnappt. Désiris gilt als ehrenwerter Bürger
und kann ganz beruhigt sein. Seine Freunde werden ihn nicht verpfeifen.
Schließlich hat er die Beute...“
    „Und hinter dieser Beute sind die
Männer her?“
    „Genau.“
    Ich lache besserwisserisch.
    „Und die Burschen werden nach ein paar
Monaten wieder laufengelassen? Den Richter müssen Sie mir nennen! Désiris hat
die Beute? Er war also der Chef der Bande? Ich weiß nicht, ich weiß nicht.
    Hélène sieht mich böse an.
    „Machen Sie sich über mich lustig?“
fragt sie.
    „Ein ganz kleines bißchen, mein
Schatz.“
    „Na gut! Dann hören Sie mir mal zu.
Hören Sie mir zu?“
    „Ja, ich höre.“
    „Nein, Sie schielen auf meine Beine.“
    „Dabei kann ich sehr gut zuhören.“
    „Können Sie nicht!“
    Schluß der Vorstellung! Sie zieht an
dem Rock, bis der beinahe ihre Füße bedeckt. Für mich bleibt wieder nichts
übrig nach dieser unfreundlichen Aktion.
    „Sie scheinen mir heute nicht der
Hellste zu sein, Monsieur Burma! Haben Sie sich noch keinen Schlag auf den
Hinterkopf eingefangen?“
    „Noch nicht. Vielleicht klappt es
deshalb nicht so gut...“
    „Oder weil Régine oder Yolande oder
Rita Sie geschafft haben?“
    „Warum sollten die kleinen Mädchen
mich geschafft haben?“
    „Um das zu beantworten, braucht man
nicht besonders viel Phantasie. Na gut... Um auf die Komplizen
zurückzukommen... Vielleicht sind die beiden vor kurzem ausgebrochen? So was
soll vorkommen. Und Désiris muß nicht unbedingt ihr Chef gewesen sein, weil er
das Geld hatte. Wie Sie schon sagten: Er war nicht vorbestraft. Bei ihm würde
die Polizei nicht nachsehen.“
    „Möglich“, sage ich gähnend. „Ich
möchte nicht mehr darüber sprechen. Die Diskussion hat seit eben viel von ihrem
Reiz verloren.“
    „Ich sehe nicht ein, warum...“
    „Ich schon. Besser gesagt, ich sehe
überhaupt nichts mehr.“
    „Blödmann.“
    Wir sitzen schweigend da. Hélène
schmollt, weil ich ihrer Theorie keine Beachtung schenke. Ich bewege sie hin
und her. Die Theorie, nicht Hélène. Ihre Schlußfolgerungen stimmen hinten und
vorne nicht, weisen schwache Punkte auf, lassen vieles im Dunkeln. Ich klopfe
meine Pfeife aus, stopfe sie wieder und zünde sie an.
    „Ich komme nur zu einem vernünftigen
Schluß: Wir vergeuden unsere Zeit. Deshalb werde ich mich jetzt nützlich machen
und die Gräfin interviewen.“
    Bevor ich gehe, schnappe ich mir das
Telefonbuch und suche die Nummer von Dugat in Levallois raus. Dem Personalchef
gebe ich mich als Flic zu erkennen, damit er den nötigen Respekt vor mir hat.
In rauhem Kommandoton verlange ich Informationen über Désiris. Der Ingenieur
habe den Betrieb Ende April 57 verlassen. Vorher habe er seinen Urlaub
eigenmächtig verlängert, übrigens ohne ihn davon in Kenntnis zu setzen.
    „Und wann ist er in Urlaub gegangen?“
hake ich nach.
    „Am 11. Februar.“
    „Wissen Sie, wo er seinen Urlaub
verbracht hat?“
    „Nein, Kommissar. Als er am 15. März
nicht wieder zur Arbeit kam, haben wir ihm geschrieben. Aber er hat nicht
reagiert. Auch Madame Désiris, mit der ich am Telefon gesprochen habe, wußte
nicht, wo ihr Mann sich aufhielt.“
    „Vielen Dank, Monsieur.“
    „Keine Ursache. Wird der Fall wieder
aufgerollt, Kommissar?“
    „Nein, nein. Wir bringen nur Ordnung
in unsere Akten. Einen schönen Tag noch.“
    Ich lege auf. Hélène hat mitgehört.
    „Mitte Februar bis Ende April 1957“,
sage ich. „Sie gehen jetzt in die Bibliothèque Nationale und sehen die
Zeitungen durch, die in dem Zeitraum erschienen sind. Uns interessieren alle
Verbrechen, nicht nur die in Paris. Wahrscheinlich hat Désiris die zweieinhalb
Monate in der Provinz verbracht. Namen der Verhafteten, der Verdächtigen... Na
ja, alles, was die Theorie stützt. Schließlich ist das Ihre Theorie! Auf jeden
Fall kriegen Sie damit die Zeit rum. Und ich mach mich auf die Socken zu dieser
Gräfin.“
    Consuelo Mogador wird sie wohl „Hu“
nennen. Hu wie Huguette. Oder wie Hure!

10

Alter Schlafzimmeradel
     
    Die Villa in der Rue Henri-Rochefort ähnelt
in nichts dem letzten Wohnsitz des verstorbenen Désiris in der Rue
Alphonse-de-Neuville. Hinter diesen eleganten Mauern verbringt also die alte
Hetäre ihren wohlverdienten Lebensabend. Das aufwendige Haus stinkt geradezu
nach Geld. Mir gefällt besonders der Vorgarten mit den zwei Bäumen. Über dem
Einfahrtstor, das in der Belle Epoque sicher Droschken und Kaleschen gesehen
hat, sind Pinsel und Palette in Stein

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