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Wer einmal auf dem Friedhof liegt...

Wer einmal auf dem Friedhof liegt...

Titel: Wer einmal auf dem Friedhof liegt... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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keine Birne auf, nicht mal
‘ne nackte. Na ja, dann bleibt’s eben halbdunkel. Viel ist sowieso nicht zu sehen.
    In einer Ecke erblicke ich ein
verglastes Büro. Vermutlich Désiris’ Studierzimmer. Reißbrett, Zirkel, Lineal,
Dreieck, Reißschiene, alles in mehrfacher Ausführung, ein Schreibtisch mit
herausgezogener Schublade, ein Aktenschrank, zwei wacklige Stühle und ein noch
wackligerer Hocker — das ist die ganze Herrlichkeit!
    Außerdem liegt aber einiges rum, was
beweist, daß hier vor kurzem noch menschliches Leben existiert hat: Kippen
verschiedener Längen auf dem Boden, eine Flasche, in der früher mal Alkohol
war, eine zweite, in deren Hals eine fast niedergebrannte Kerze steckt, und
unter dem Tisch ein vergessener Putzlappen, der keiner ist. An dem
futuristischen Muster erkenne ich Yolandes Kopftuch wieder. Ich hebe es auf. Es
ist nur noch ein jämmerlicher Fetzen, zerrissen, mit Lippenstift verschmiert.
Man muß kein besonders begabter Spürhund sein, kein Superdetektiv, um zu
kombinieren, daß das Tuch als Knebel gedient hat.
    Ich setze mich auf einen der wackligen
Stühle. Meine Hände zerknittern unbewußt die mißhandelte Seide. Ich weiß nicht,
was ich davon halten soll. Besser gesagt, ich weiß es nur zu gut...
    Ich sehe mich noch etwas in dem
Glaskasten um, wo gestern nacht eine seltsame Sitzung
stattgefunden haben muß. Unwillkürlich, instinktiv starren meine Augen auf ein
Stück Holz, das unter dem Aktenschrank hervorguckt. Endlich wird mir klar, daß
das ein Hammerstiel ist. Ich stehe auf und ziehe den Gegenstand ans schummrige
Tageslicht. Das ist kein Hammer, sondern eine Schaufel, an der noch Erde hängt.
Ich bin zu benommen, um sachlich zu urteilen. Die Erdklumpen fühlen sich
gleichzeitig trocken und feucht an.
    Ich laufe in der Werkstatt herum wie
ein Löwe im Käfig. Mit einem energischen Fußtritt befördere ich ein altes
Kohlebecken in die Ecke. Dann werde ich mir bewußt, daß ich immer noch Yolandes
Seidentuch in einer Hand halte, in der anderen die Schaufel. Ich werfe das Tuch
auf den Tisch. Die Schaufel behalte ich in der Hand. Der Boden unter mir ist
uneben, so als wäre die Erde gelockert und dann wieder festgestampft worden.
    Bis jetzt ist dir immer alles auf dem
Silbertablett gereicht worden. Du mußtest es nur einsammeln. Heute bist du
gezwungen, dich als Maulwurf zu betätigen. Auch gut! Leben ist Bewegung...
    Ich gehe zur Tür und verschließe sie
sorgfältig. Dann zieh ich Mantel und Jacke aus und mach mich an die Arbeit. Die
Schaufel könnte etwas stabiler sein. Aber es wird schon gehen. Andere sind auch
gut damit klargekommen. Ich bin zu aufgeregt, um mir der Schwerstarbeit bewußt
zu werden. Trotz aller Anstrengung geht’s nur langsam voran. Ich schmeiße die
Schaufel in eine Ecke und nehme eine spitz zulaufende Eisenstange, die ich wie
eine Hacke handhabe. Die Arme tun mir weh. An meinen Händen bilden sich Blasen.
Mein Gesicht ist schweißbedeckt, das salzige Wasser beißt mir in den Augen und
kitzelt meinen Rücken. Aber ich muß Klarheit schaffen, auch wenn mir kotzübel
dabei wird. Langsam aber sicher mache ich Fortschritte. Plötzlich kommt mir aus
dem Loch ein Pestilenzgeruch entgegen, der mich umhaut. Ich drehe mich um,
stolpere ein paar Meter und kotze tatsächlich.
    Nach diesem Schwächeanfall raffe ich
wieder auf. Aufgeben gilt nicht! Ich bin gleich am Ziel. Neben unappetitlichen
Tierchen kommt jede Menge stabiles Papier zum Vorschein, ganz vermodert, aber
noch wiederzuerkennen. Papier, auf dem Pläne gezeichnet werden...
    Und dann kommt noch etwas zum
Vorschein. Nicht an einem Stück, sondern Stück für Stück. Ein verdrehter Arm,
eine verbogene Hand, eine Uhr am Handgelenk, verwesendes Fleisch, muffiger
Stoff.
    Yolande ist es nicht. Dies hier war
früher mal ein Mann, den ich nie gesehen habe, auch nicht an einem Stück. Oder
vielleicht doch? Man sollte nie nie sagen. Den Kopf will ich lieber gar nicht
von seiner Erdkruste befreien, um mir das Gesicht anzusehen. Viel dürfte
sowieso nicht davon übriggeblieben sein! Die Leiche ruht schon mehrere Monate
hier und ernährt die Tierchen, die die medizinischen Lehrbücher poetisch als
Totengräber bezeichnen.
     
    * * *
     
    Eine Ewigkeit lang starre ich auf das
offene Grab, wie ein Idiot. Dann holt mich der Ekel wieder in die Wirklichkeit
zurück. Ich muß hier weg. Alles, was es zu sehen gibt, habe ich gesehen. Und
was Nachdenken und Kombinieren angeht, so kann ich mir meine Arbeit mit nach
Hause

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