Wer einmal auf dem Friedhof liegt...
Bürostuhl plumpsen. Dann macht er sich an
der Schreibtischlampe zu schaffen, dreht sie in meine Richtung. Das helle Licht
knallt mir direkt ins Gesicht. Faroux’ Kopf bleibt im Dunkeln.
„Was gibt’s denn?“ erkundige ich mich.
Als Antwort klopft Faroux auf einen
Aktenordner, der vor ihm auf dem Tisch liegt. Dann räuspert er sich und sagt:
„Das haben mir die vom Quai de Gesvres
zugeschickt. Sie wissen schon, Ermittlungen in Familienangelegenheiten. Wenn in
diesem Fall überhaupt von Familie die Rede sein kann... ‘ne komische Familie...
Also: Eine gewisse Yolande Mège, Fotomodell, ist seit gestern verschwunden.
Zusammen mit einer Marguerite Marson bewohnt sie eine Wohnung in der Rue du
Dobropol. Diese Marson war es auch, die das Verschwinden ihrer Freundin
angezeigt hat. Sie hat ausgesagt, daß gestern nacht jemand nach Yolande Mège gefragt hat. Da Mademoiselle Marson ihm die Tür nicht
öffnen wollte, hat er seine Visitenkarte unter der Tür durchgeschoben. Marcel
Viénot heißt er. Heute morgen stand er in aller
Herrgottsfrühe wieder vor der Tür. Wir haben ihn vernommen. Wissen Sie, was er
gesagt hat?“
„Daß er Namen und Adresse des Mädchens
von Dany Darnys hatte, der Schauspielerin, und daß die sie wiederum von Nestor
Burma hatte.“
„Stimmt genau! Das ist ja seltsam...“
„Was ist seltsam?“
„Daß Sie so geständig sind. Ist das
Ihre neue Taktik?“
„Das hat mit Taktik nichts zu tun.
Warum sollte ich Ihnen nicht die Wahrheit sagen, wenn es gar nicht anders
geht?“
„Sehr lustig. Wenn die Jungs vom Quai
de Gesvres Sie hören könnten, würden sie sich totlachen. Das würde ihre Meinung
bestätigen, die sie von Ihnen haben. Als Ihr Name bei dem Fall auf tauchte,
haben sie mich sofort alarmiert.“
„Sehr aufmerksam, Ihre Kollegen.“
„Arschlöcher sind das! Wollen mich nur
reinreiten. Die warten darauf, daß Sie irgendwann mal Scheiße bauen und ich mit
Ihnen badengehe.“
„Wie Sie schon sagten: ‘ne komische
Familie.“
„Damit meinte ich nicht die Polizei.“
Er dreht sich eine seiner krummen
Zigaretten und zündet sie an. Der Rauch breitet sich auf der Schreibunterlage
aus und schwebt zur Decke.
„Und jetzt erzählen Sie mir mal“,
fährt der Kommissar fort, „warum Sie sich so brennend für Yolande Mège
interessieren.“
„Ich interessiere mich nicht für sie,
und schon gar nicht brennend. Ich habe mich für sie interessiert, im
Auftrag von Dany Darnys...“
Ich lege meinem Freund die Sache mit
den Fotos im Prickelnden Paris auseinander.
„Ja“, sagt er nach meinem Bericht.
„Das hat uns Viénot auch erzählt. Und daß Sie so nebenbei auch noch für ihn
gearbeitet haben, ohne es zu wissen.“
„Richtig. Und wen juckt das?“
„Mich!“
„Deshalb muß ich mich jetzt kratzen?
Versteh ich nicht.“
„Werd’s Ihnen erklären. Alles scheint
klar und einfach. Aber es gibt gleich mehrere Haken.“
„Welche?“
„Erstens: Das Mädchen, für das Sie
sich interessieren, verschwindet.“
„Dafür kann ich doch nichts! Ich hab die
Süße gestern um elf Uhr abends bei Dany Darnys abgeliefert. Vielleicht ist sie
ja immer noch da...“
„Nein, ist sie nicht. Sie ist gegen
Mitternacht weggegangen.“
„Was soll ich dazu sagen?“ frage ich
achselzuckend.
„Oh, nichts! Am besten gar nichts! Zweiter
Haken: Marcel Viénot arbeitet in der Automobilbranche. Wie Charles Désiris.
Erinnern Sie sich an Désiris?“
„Sehr genau! Das ist doch der Mann,
der keine Zahnschmerzen mehr hat, stimmt’s?“
„Wie so viele Ihrer Bekannten.“
„Darum bin ich’s aber noch lange
nicht, der sie umlegt.“
„Da bin ich mir so langsam gar nicht
mehr sicher... Dritter Haken: Viénot hat uns verraten, warum er sich für
Yolande Mège interessiert.“
„Weil sie Désiris Geliebte war.“
„Ja. Und?“
„Was, und? Als ich das hörte, war ich
genauso überrascht wie Sie. Ist das denn so wichtig? Bevor ich Yolande zu Dany
Darnys gebracht habe, war ich mehrere Stunden mit ihr zusammen. Von Désiris hab
ich kein Sterbenswörtchen gesagt. Sie können sie fragen, wenn sie wieder
auftaucht.“
„ Falls sie wieder auftaucht.
Ich fürchte nämlich, die Kleine gehört zu dem Kreis, dem Ihre Bekanntschaft
kein Glück bringt.“
„Ach ja?“
„Ja. Heute nacht hat ein anonymer Anrufer das Kommissariat in Levallois verständigt, er habe
eine Frau in einem Wagen gesehen. Sie wurde von zwei Männern mindestens
belästigt. Kennzeichen...“ Er sieht in der Akte
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