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Wer einmal auf dem Friedhof liegt...

Wer einmal auf dem Friedhof liegt...

Titel: Wer einmal auf dem Friedhof liegt... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Ach
ja, stimmt...“ Ich denke an ihre alten schwachen Beine. „Vielleicht sind Sie
gar nicht mit ihnen hochgegangen...?“
    „Doch“, antwortet die alte Dame und
steht stramm. „Nichts haben die zwei gemacht. Haben sich umgesehen und sind
gegangen.“
    „Genau das werde ich auch machen.
Wären Sie so liebenswürdig, mir den Weg zu zeigen? Und mich eventuell nach oben
zu begleiten?“
    Sie ist so liebenswürdig. Wir gehen
eine lackierte Eichentreppe hinauf. Der Stock der alten Hure knallt auf die
Stufen. Im Gegensatz zu dem orientalischen Bazar im Erdgeschoß sind die oberen
Räume nur spärlich möbliert. Aber auch hier gibt es genug überflüssigen Luxus,
der das Leben angenehm macht. Die Gräfin erzählt mir, daß einige Möbel
inzwischen nach unten gebracht worden sind. Dann zeigt sie mir das Bild — vom
ehemaligen Hausherrn Frédéric Langlat gemalt — , das
Désiris bei seinem Wutausbruch beschädigt hat. Das Bild zeigt einen Mann mit
inspiriertem Blick, voller Konzentration, in der Hand Palette und Pinsel.
Möglich, daß das Porträt wertvoll ist. Ich will nicht widersprechen. Alles ist
möglich.
    Wir gehen in ein anderes Zimmer, von
dem eine Treppe in das oberste Geschoß führt. Dort, unterm Dach, hatte Frédéric
Langlat früher sein Atelier. Jetzt ist der Entstehungsort seiner Meisterwerke
in ein geschmackvolles Studio verwandelt worden.
    Wir steigen wieder ins Erdgeschoß
hinunter.
    „Außer den Schubladen wüßte ich keinen
Platz, der als Versteck in Frage käme...“, stelle ich fest.
    „Als Versteck?“ fragt Mutter Mèneval
verständnislos.
    „Ja. Wissen Sie, was die beiden Männer
hier gesucht haben?“
    „Nein.“
    „Ich bin mir nicht sicher... Zaster,
glaube ich. Désiris muß einen ganzen Haufen besessen haben.“
    Hélènes Theorie!
    „Zaster?“ echot die Gräfin und reißt
die Augen auf.
    „Geld, wenn Ihnen das lieber ist.“
    „Das hab ich schon verstanden. Das
Wort hat mich nicht überrascht, sondern die Tatsache.“
    „Mich auch.“
    „Aber wo sollte er dieses Geld
versteckt haben?“
    „Da oben jedenfalls nicht. Hier unten
schon eher... Na ja. Madame, ich möchte mich verabschieden.“
    „Julie wird Sie hinausbringen.“
    Die Gräfin zieht an einer Schnur.
    „Auf Wiedersehen, Monsieur Burma.“
    „Wiedersehen, Gräfin.“
    Ich küsse ihr die knochige Hand. In
Gedanken zwinkere ich dem reizenden Geschöpf auf dem Porträt zu. ,Damals wußten Sie ihr Händchen zu gebrauchen,
Mademoiselle’, flüstere ich dem jungen Mädchen zu. ,Heute sind Sie nur noch mit dem Herzen dabei. Man tut was man kann!’
    Das Dienstmädchen bringt mich bis zum
Gartentor. Es wird dunkel über Paris. Aus der Villa hört man reine
Harfenklänge. Und ich dachte, die Alte würde stehenden Fußes ihren Kramladen
auf den Kopf stellen, um den ,Zaster’ zu suchen! Nein.
Sie streichelt die Saiten ihrer Harfe. Ich mit meinen raffinierten Scherzen!
    Ich gehe zu meinem Wagen und rase in
die Avenue de Villiers. Aus einem Bistro rufe ich Roger Zavatter an. In einem
anderen Bistro.
    „Da ist noch eine, die mich verarschen
will“, sage ich.
    „Hu, die Böse!“
    „Hu war schon ganz richtig. Huguette
de Mèneval heißt die Dame. Sie machen dasselbe mit ihr wie mit Viénot.“
    Mein Mitarbeiter pfeift durch die
Zähne.
    „Verdammt! Bei dem Namen lohnt es sich
bestimmt“, bemerkt er.
    „Früher hat sich’s mal gelohnt, mein
Lieber. Heute nicht mehr. Achtzig Jahre, auf einen Krückstock gestützt.“
    „Rue Henri-Rochefort. Eine Villa.“
    „Kenn ich.“
    „Nein, nicht die. Eine andere.“
    „Ach ja? Auch gut.“
    Ich geb ihm noch die nötigen
Informationen und lege auf. Dann fahre ich zurück in meine Agentur. Hélène ist
nicht da. Sitzt in der Bibliothèque Nationale und blättert in verstaubten alten
Zeitungen. Nicht mal ein nettes Wort hat sie mir hinterlassen. Kaum hab ich das
festgestellt, als an der Tür geläutet wird. Zwei Flics in Zivil stehen auf der
Matte. Einer von ihnen ist Inspektor Fabre, der Helfershelfer von Florimond
Faroux.
    „Ein Glück, daß es gegenüber ein
Bistro gibt“, sagt er. „Da hat man’s wenigstens warm. Wir warten nämlich schon
‘ne Ewigkeit auf Sie. Der Kommissar möchte mit Ihnen sprechen.“
    „Worüber?“
    „Hat er nicht gesagt.“
    „Geheimniskrämer! Also gut, gehen
wir!“

11

Schießerei in der Rue du Dobropol
     
    „Setzen Sie sich“, fordert mich
Kommissar Faroux auf.
    Zur Begrüßung ist er aufgestanden;
jetzt läßt er sich wieder auf seinen

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