Wer einmal auf dem Friedhof liegt...
Zigarettenetui
aus der Tasche. „Désiris?“
„Allerdings. In der ganzen Hütte
hier...“ Ich zeige nach oben und nach unten. „...gab es keinen — nicht mal
seine ehemalige Freundin — , der den Flics gesagt hat,
daß er den Mann kannte. Kann ich gut verstehen. Man weiß zwar, wie es mit den
Flics anfängt, aber nie, wie es aufhört.“
„Señor“, meldet sich die Spanierin, „wir haben
uns nichts vorzuwerfen.“
„Ein Grund mehr, um sich in Schweigen
zu hüllen“, bemerkt Monsieur Pierre philosophisch.
Er nimmt eine Zigarette aus dem Etui
und zündet sie an. Dann schiebt er das Etui wieder in die Tasche.
„Stimmt“, pflichte ich ihm bei. „Aber
ich bin kein Flic.“
„Nein? Was sind Sie dann, wenn man
fragen darf?“
„Privatschnüffler.“
„Ist auch nicht besser.“
„Also, besonders kooperativ sind Sie
nicht, Monsieur...“ stelle ich fest.
Das letzte Wort ziehe ich wie ein
Gummiband, damit er es aufschnappt und einen Namen dranhängt. Aber er schnappt
nichts auf und hängt auch nichts dran.
„Also wirklich, ein lustiger Abend“,
wiederholt er und schickt sein falsches Lachen hinterher. „Erst die Polizei im
Haus, wegen Yolande „Désiris’ Geliebte.“
Er überhört meinen Einwurf.
„...Und jetzt ein Privater, der
ausgerechnet bei uns Überstunden macht! Aber gut...“ Er hebt resigniert die
Schultern. „Ich glaube, ich kann Sie nur loswerden, wenn ich Ihnen sage, was
ich weiß, hm?“
Ich nicke ihm aufmunternd zu.
„Aber zuerst würde mich interessieren“,
fährt er fort, „was Sie selbst wissen und was der Quatsch soll. Schließlich hat
Désiris Selbstmord verübt, oder nicht?“
„Oh doch“, gebe ich zu. „Aber es gibt
da so einige Querverbindungen. Das einzige, was ich von Ihnen weiß, habe ich
von Mademoiselle Monteil.“ Ich zeige auf Régine. „Sie haben hier eine kleine
Party veranstaltet und auch Désiris eingeladen. Dabei haben er und Yolande sich
kennengelernt.“
„Ich glaube, ja.“
„Wie gut...“
Mit einem Ruck steht Régine auf, bleich,
mit zitternden Knien, so als kippe sie jeden Moment aus den Latschen.
„Ich gehe... nacht unten“, bringt sie
mühsam hervor. „Mir ist nicht gut.“
„Das kommt davon, wenn man so
gnadenlos säuft!“
Was ich da sage, ist nicht sehr nett
von mir. Aber, verdammt nochmal! Immer versaut sie mir die Tour! Der Kerl vor
mir ist ein harter Brocken. Mit ihm eine längere Unterhaltung zu führen, ist
so, als wollte man ein Haushaltsloch stopfen (meins und das des Staates). Und
jetzt, wo wir schon mal so schön in Schwung sind, muß die Kleine sich wieder
querstellen. Wie auf der Verfolgungsjagd in Levallois!
„Haben Sie was getrunken?“ erkundigt
sich Monsieur Pierre fürsorglich.
„Yolandes Verschwinden ist ihr aufs
Gemüt geschlagen.“ Monsieur Pierre nickt verständnisvoll. Consuelo kommt ihrer
Freundin zu Hilfe.
„Komm, querida, setz dich. Werd
dir was machen, bringt dich wieder auf die Beine.“
Régine gehorcht. Sie sieht wirklich
elend aus. Die Spanierin bringt ihr aus der Küche ein Glas mit einer
sprudelnden Flüssigkeit. Régine trinkt widerwillig. Pedro sieht sie besorgt an.
Wahrscheinlich fürchtet er um den Teppich. Er ist zwar nicht immer zu Hause,
hat es aber gerne hübsch sauber, auch wenn er nicht da ist.
„Besser?“ erkundigt sich Consuelo.
„Ja“, haucht Régine mit Leidensmiene.
„Bring sie ins Bett“, befiehlt Pedro
im Kasernenton. „Komm, geh ins Bett, Ré“, sagt Consuelo.
Die Frauen verlassen das Zimmer,
Régine auf ihre Freundin gestützt. Monsieur Pierre blickt ihnen nachdenklich hinterher. Die zuschlagende Haustür bringt ihn wieder zurück auf
die Erde.
„Die Mädchen vertragen einfach
nichts“, stellt er fest. „Machen sich Sorgen, wegen nichts“, stimme ich in
seine Klage ein.
„Genau... Wo waren wir
stehengeblieben?“ fragt er lächelnd.
„Bei Désiris. Waren Sie sehr eng
befreundet?“
„Überhaupt nicht. Wir kannten uns.
Mehr nicht.“
„Wie haben Sie ihn kennengelernt?“
„Beim Autokauf. Wissen Sie, die
Zwischenhändler... Ich geh lieber gleich zur Fabrik. Und da hat Désiris
gearbeitet. So haben wir uns...“
An der Tür wird geläutet. Dreimal kurz.
Sehr originell. Pedro steht auf.
„Scheiße!“ knurrt er. „Daß die nie
ihren Schlüssel mitnehmen kann! Bleiben Sie hier!“
Er ruft mir das im Hinausgehen zu,
aber in welchem Ton! Was hat das zu bedeuten? Plötzlich hab ich den Eindruck,
daß irgendwas im Busch ist. Nein, irgend etwas
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