Wer einmal auf dem Friedhof liegt...
stimmt
hier nicht. Und da höre ich auch schon im Flur seltsame Geräusche, seltsam und
verdächtig. Bevor ich nachsehen kann, kommt Monsieur Pierre wieder ins Zimmer.
Aber wie! Rückwärts, die Arme über dem
Kopf. Zwei zwielichtige Gestalten drücken ihm ihre Kanonen in den Bauch.
Weder in ihrer Kleidung noch in ihrem
Äußeren haben die beiden was Besonderes zu bieten. Aufgrund ihrer Visagen
könnte man sie für ausgemachte Blödmänner halten. Aber die Ballermänner in
ihrer Hand verschaffen ihnen beim Betrachter den nötigen Respekt. Das
Unbewegliche in ihren Gesichtern deutet er jetzt als kalte Entschlossenheit,
die nichts Gutes ahnen läßt. Einer der beiden tänzelt wie ein ausweichender
Boxer etwas zur Seite. Durch dieses geschickte Manöver hat er außer Pedro auch
mich im Auge.
Höchstwahrscheinlich haben sie keinen
Besuch bei Monsieur Pierre erwartet. Aber ganz sicher haben sie nicht erwartet,
daß dieser unerwartete Besuch ebenfalls eine Kanone in der Hand hält. Das
bringt sie ein wenig aus ihrer unbeweglichen Ruhe. Aber dann zählen sie eins
und eins zusammen. „Wir sind zu zweit“, sagen sie sich wohl. Und leider haben
sie recht. Nach einem Schuß müßte ich mit der prompten Antwort rechnen. Ich hab
also nicht viel zu melden. Kann mein Schießeisen genausogut wieder einstecken.
Aber in meiner Hand ist es besser aufgehoben als beim Waffenhändler, zumal ich
mich hinter einem Polstersessel verschanzt habe, den Rücken zur Wand. Bis einer
von uns einen Fehler begeht, müssen wir uns wohl oder übel gegenseitig
respektieren. Das kann lange dauern.
Ohne mich aus den Augen zu lassen,
fragt der Revolverheld mit dem besseren Überblick den Hausherrn:
„Wer ist das denn?“
Sein Akzent klingt nach der Canebière.
„’n Flic“, antwortet Pedro.
Der zweite Gangster, einen eleganten
Hut auf dem Kopf, hat ihn in einen Sessel gestoßen.
„Hab ihm grade Käse erzählt, um ihm
auf den Zahn zu fühlen“, fügt er hinzu. „Macht bloß keinen Scheiß!“
Der mit dem Hut lacht bösartig.
„Wir wollen nur sehen, wie’s dir geht.
Daß du einfach alles hinschmeißt, so von heute auf morgen... Gefällt uns gar
nicht. Wer Schiß hat, dem vertraut man nicht. Hinterher verpfeifst du uns
noch...“
„Man kann Schiß haben und trotzdem die
Schnauze halten... Das haut doch alles hinten und vorne nicht hin. Ihr findet
es nie!“
„Ja, Scheiße! Du weißt nämlich, wo das
Zeug ist. Die Kleine muß was ausgespuckt haben, was nur du kapiert hast. Und
dann spielt Monsieur den müden Helden, den Feigling. ,Das haut nicht hin, Freunde! Wir finden das Zeug nicht. Blasen wir das Ganze ab!“
Geschissen! Wir armen Schweine stehen da, mit weniger Geld in der Tasche als
vorher, dafür aber mit mehr Ärger. Und du mit Consuelo und der Ware. Apropos...
Ich seh sie gar nicht... Wo ist Consuelo?“
„Unterwegs.“
„Ach ja, unterwegs! Keine Bewegung!
Vielleicht kommt sie ja gleich reingeschneit...“
Der Gangster postiert sich so, daß er
gleichzeitig Pedro, die Tür und mich überwachen kann. Ich fühl mich richtig
wohl zwischen zwei Feuern. Komm mir so nützlich vor wie’n Büstenhalter für ein
Bügelbrett.
„Also, der Kerl da ist ‘n Flic?“ fragt
der mit dem Hut.
„Ja. So ‘ne Scheiße! Den ganzen Tag
wimmelt es von Flics... wegen der Kleinen.“
„Machst du uns das etwa zum Vorwurf?
Wer hat denn so laut getönt, die Kleine weiß alles, hm? Und die weiß auch
alles, davon bin ich überzeugt! Oder hat die ihren Ring bei Prixunic gekauft? Aber jetzt soll sie plötzlich keine Ahnung haben... Findest du das
o.k.?“
„Hab mich geirrt. So was kann
passieren.“
„Dir nicht mehr, Pierre“, sagt der
Gangster und lacht giftig.
Pierre wird blaß.
„Aber... sag mal... du willst doch
nicht...“, stottert er. Seine Stimme ist kaum zu hören. Schweißperlen stehen
ihm auf der Stirn, die Brillengläser sind beschlagen.
„Hör mal, Pierrot!“ Der zweite
Gangster — der aus Marseille — wird deutlich. „Die Geschichte mit dem Flic hier
gefällt uns genausowenig wie die mit der Kleinen. Hab das Gefühl, du stehst
sozusagen unter Polizeischutz, ohne daß die das wissen! Hast wohl gedacht,
solange die hier rumrennen, halten wir uns bedeckt, was? Aber du siehst ja: Wir
besuchen dich trotzdem...“
„Wir sind verarscht worden“, murmelt
der mit dem Hut. „Du kannst es drehen und wenden, wie du willst. Wir sind
verarscht worden.“
„Ich hab nicht die Absicht, euch zu
verarschen“, protestiert
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