Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer einmal auf dem Friedhof liegt...

Wer einmal auf dem Friedhof liegt...

Titel: Wer einmal auf dem Friedhof liegt... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
Vom Netzwerk:
Monsieur Pierrot mit weinerlicher Stimme.
    ,Du hast doch auch Sarfotti aufs Kreuz
gelegt, mit uns zusammen. Meinst du, wir vertrauen dir?“
    „Schnauze!“ brüllt der andere seinen
Kollegen an. Dann wendet er sich wieder an den Judas: „Steckst wohl mit den
Flics unter einer Decke, hm?“
    „Nein! Das da ist kein richtiger, nur
‘n Privater“, versucht Pierre zu erklären.
    „Und was hat der hier zu suchen?“
    „Der sucht genau dasselbe wie wir,
glaub ich.“
    Der Mann aus Marseille sieht mich
drohend an.
    „Los, Schnüffler, ich höre!“
    „Nicht mehr“, sag ich mit trockener
Kehle.
    „Was ,nicht mehr“? Wie meinst du das?“
    „Ich suche nicht mehr. Hab’s gefunden.
Pierrot hat’s.“
    „Paulot!“ ruft Pierre. „Glaub ihm kein
Wort!“
    Er läßt alle Vorsicht fahren. Seine Situation
ist sowieso nicht beneidenswert. Aber daß er die „Ware“ haben soll, nach der
die ungebetenen Gäste sich die Hacken ablaufen, gibt ihm den Rest. Das läßt ihn
an die Decke gehen. Im übertragenen Sinne und im wörtlichen. Er springt von
seinem Sessel auf und stürzt zu dem Gangster mit dem eleganten Hut. Sieht aus,
als wolle er ihm an den Kragen. Und richtig, der Gangster vermutet einen
Angriff, will sich zur Wehr setzen und... rutscht aus. Pedro nutzt die
Schrecksekunde aus, um eine Kanone aus seiner Jacke zu angeln. Jetzt hat er
nichts mehr zu verlieren. Er drückt ab, verfehlt aber den Mann auf dem Boden.
Der hat sich wieder hochgerappelt und verfehlt ihn nicht, genausowenig wie der
Mann aus Marseille. Monsieur Pierre dreht sich um seine eigene Achse, wie ein
Kreisel. Die Schüsse werden wie aus einer Maschinenpistole abgefeuert, lassen
ihn gar nicht zur Ruhe kommen. Zwei links, zwei rechts, eine fallenlassen. Ein
schöner Pullover wird dem Monsieur Pierre gestrickt. Aber schließlich darf er
zur Hölle fahren. Im Fallen stößt er noch das Tablett mit der Whiskyflasche und
den Gläsern zu Boden und verursacht so den entsprechenden Höllenlärm. Leider
kann ich seine Todespirale nicht sehen. Ich muß mich hinter dem Lehnsessel vor
den Kugeln schützen, die mich unserem ehemaligen Gastgeber hinterherschicken
wollen. Der Sessel tut seine Pflicht, und ich gehe unverletzt aus dem
Schützenfest hervor. Ich muß lachen, bis mir die Seiten wehtun. Die
Revolverhelden treten den Rückzug an... Knallen die Tür hinter sich zu... Die
Luft ist rein! Ich will aufstehen, komme aber nicht hoch. Das muß das verdammte
Bohnerwachs sein! Ich klebe fast am Boden fest, meine Hände sind ganz klebrig.
Und dann dieser Korditgestank! Hat sogar das schwere Parfüm von Consuelo
verdrängt... hat... hat... Scheiße! Das muß der Gestank sein, der in meinem
Schädel dieses Gewitter verursacht. Ein roter Schleier legt sich vor meine
Augen. Ich schließe sie. Die Lider machen einen Lärm wie Rolläden. Ich wußte
wohl, daß ich schwere Augenlider habe, aber trotzdem... Schüsse knallen... Die
Tür knallt... Absätze knallen... Monsieur Pierre abgeknallt... Erstickte
Schreie... Flüche... Ein Mordslärm im Dunkeln, unterbrochen von buntem
Wetterleuchten. An Schlaf ist nicht zu denken, auch nicht mit geschlossenen Augen.
Ich öffne sie wieder. Das bunte Farbenspiel wird wieder zum roten Schleier,
durch den ich ein hübsches Bein verschwinden sehe... Los, Nestor! Hinterher!
Ich reiße mich zusammen, ziehe mich am Sessel hoch und erlange so was Ähnliches
wie den aufrechten Gang. Der Salon dreht sich im Kreis. Monsieur Pierre schwebt
zwischen Boden und Decke. Oder zwischen Himmel und Hölle. Rauf, runter, rauf,
runter. Die Arme von sich gestreckt, sieht er aus wie der Christus von Salvador
Dali. Ich lasse mich wieder fallen, um der Leiche nicht in die Quere zu kommen.
„Hau ab!“ höre ich jemanden rufen, mich selbst. „Sofort, M’sieur“, antworte
ich. Immer höflich, immer gehorsam. Und immer mittendrin im Geschehen. Ich
rapple mich wieder hoch, schwanke einen langen Korridor entlang, werfe mich
gegen eine Tür. „Hau ab!“ sagt die Stimme wieder. Die Tür gibt nicht nach.
Meine Hand sucht einen Riegel, einen Knauf, na ja, irgend so’n Ding, mit dem
man eine Tür öffnen kann. Nichts. Vielleicht liegt das an meiner Hand. Ich sehe
sie an. Sie hält einen Revolver. Ach ja! Mein Revolver! „Schieß dich frei!“
ruft die Stimme. Das ist es! Endlich gibt mir die verfluchte Tür den Weg frei.
Im Treppenhaus werde ich von einem Trommelfeuer empfangen. Ist aber gar kein
Trommelfeuer, nur eine knallende Tür. Noch eine. Hab so langsam

Weitere Kostenlose Bücher