Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer einmal auf dem Friedhof liegt...

Wer einmal auf dem Friedhof liegt...

Titel: Wer einmal auf dem Friedhof liegt... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
Vom Netzwerk:
ein. Klingt nicht sehr überzeugt.
    „Bleiben Sie hier und beobachten Sie das
Licht.“
    Ich steige aus, überquere die Straße
und läute an der Gartenpforte. Die Glocke zerschneidet die Stille, wird leiser
und verklingt. Ich drücke auf die Klinke. Verschlossen. Ich läute zum zweiten
Mal. Keine Reaktion. Ich gehe wieder zu meiner ambulanten Agentur zurück.
    „Hat sich das Licht im Haus
verändert?“ frage ich meine beiden Mitarbeiter.
    „Nein“, sagen sie wie aus einem Mund.
    Ich zünde mir eine Pfeife an.
    „Wir müssen wissen, was da vor sich
geht“, entscheide ich. „Setzen Sie uns vor einem Bistro ab, Za, und holen Sie irgend etwas , mit dem man Schlösser knacken kann.“
    Aus dem dunklen Fond höre ich ein
höhnisches Lachen. „Der Fall ist erledigt“, zitiert mich Hélène.
     
    * * *
     
    Vom Bistro aus versuche ich mehrere Male,
die Gräfin anzurufen. Es bimmelt und bimmelt, aber das ist auch alles. Niemand
geht an den Apparat. Nach einer Stunde ist Zavatter wieder bei uns, bewaffnet
mit einem Gerät für den Einbruch nach Art des Hauses. Inzwischen ist es nach
elf. Bei der Gräfin in der Rue Rochefort brennt immer noch überall Licht.
Zavatter macht sich an die Arbeit, während Hélène und ich das Liebespaar
spielen. Ich Wirklichkeit stehen wir Schmiere. Kurz darauf schlüpfen wir durch
das Gartentor und gehen über den Kiesweg auf die Villa zu. Unter unseren Sohlen
knirscht es, daß es nur so eine Freude ist. Wir geben alle Vorsicht auf.
Schließlich sind wir harmlose Besucher. Sollte Mutter Mèneval plötzlich
auftauchen und uns zur Rede stellen, kann ich ihr Vorhalten, daß sie’s nicht anders
gewollt hat. Mehr als Telefonieren und Läuten konnte ich nicht, um unseren
Besuch anzukündigen. Aber die Gedanken sind überflüssig. Ohne Zwischenfall
gelangen wir in den Salon, in dem ich gestern schon gestanden habe.
    Eine Lampe mit einem riesigen Schirm
steht auf dem Flügel und gießt ihr sanftes Licht über das Durcheinander. Über
allem herrscht das vielversprechende Lächeln der Huguette de Mèneval, gemalt
von Archet, 1908. Nirgendwo eine Menschenseele, nur zusammengewürfelte Möbel,
die den Eindruck machen, als wolle sich eins ängstlich im Schatten des andern
verbergen. Auf einem kleinen Sofa wartet ein offenes Buch auf die Rückkehr der
Leserin. Alles atmet friedliche Stille und Zurückhaltung. So meint man
jedenfalls. Das kommt davon, wenn man zu oft ins Kino geht.
    Ich nehme das Buch in die Hand. Ein
bärtiges Porträt springt mir ins Auge. Frédéric Langlat, Maler und ehemaliger
Hausbesitzer. Der Titel des Schinkens: Geheimnisvolle Kuriositäten des 17. Arrondissements. Die Alte informiert sich über ihr Viertel.
Wahrscheinlich, um in Gesellschaft zu glänzen. Wird auch Zeit! Ich lege das
Buch wieder an seinen Platz zurück. Sollten wir uns nicht irgendwie bemerkbar
machen, bevor wir weiter Vordringen? Ho, he, Kapitän!, zum Beispiel.
    „Ist jemand zu Hause?“ ruft Hélène,
als hätte sie meine Gedanken erraten.
    Ihre Stimme kann die dichte Atmosphäre
des Kramladendekors nicht durchdringen. Irgendwo bleibt sie hängen, ohne ein
Echo hervorzurufen. Zavatter versucht es mit Husten. Aber das ganze Schloß
liegt in tiefem Dornröschenschlaf. Na, dann wollen wir mal! Wir gehen in die
erste Etage hinauf, der Zweitwohnung von Désiris. Endlich, in dem Zimmer, das
genau unter dem Atelier liegt, finden wir Huguette de Mèneval.
    Sie wird keine Gelegenheit mehr am
Schopfe packen. Nie mehr. Die Gräfin ist tot.
    Offen gestanden, überrascht mich das
nicht. Was mich allerdings überrascht, ist eine kleine Besonderheit an ihrer
Leiche. Eine Hand ist entsetzlich zerquetscht.

14

In der Rue Rochefort geht mir ein Licht auf
     
    „Ach du Scheiße!“ flüstert Zavatter.
    Hélène geht einen Schritt zurück,
stößt gegen einen Stuhl und läßt sich darauf fallen.
    „Großer Gott!“ stöhnt sie.
    Ich sage nichts. Langsam wandert mein
Blick von der blutverschmierten Hand zu einem umgekippten Hocker, folgt dann
einer verdächtigen Spur, klettert mit ihr den rötlichen Wandvorhang hoch. Ton
in Ton! Die Spur scheint ihren Ursprung im Schnittpunkt von Wand und
Zimmerdecke zu haben. Dann kehrt mein Blick wieder zur Leiche zurück. Steinchen
verschiedener Größe liegen um den leblosen Frauenkörper herum. Wahrscheinlich
aus einem aufgeschlitzten Beutel gefallen. Die Steinchen leuchten wie
phosphoreszierende Tierchen, Freunde dunklen Erdreichs und noch dunklerer
Gräber. Mein Blick mustert die

Weitere Kostenlose Bücher