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Wer einmal lügt

Wer einmal lügt

Titel: Wer einmal lügt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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den Schlüssel aus der Hand und versuchte es noch einmal. Der Schlüssel passte nicht. Ray wirkte sehr mitgenommen.
    »Dann bin ich erst bei der Ruine angekommen, nachdem du geflohen warst«, sagte er.
    »Lag Stewart noch da?«
    Ray nickte. »Er hat geblutet. Ich bin davon ausgegangen, dass er tot ist.« Er schloss die Augen und wandte sich ab. »Ich bin den Hügel runtergerannt und zu dir gefahren. Ich hatte Angst … Ich weiß auch nicht, wovor. Ich wusste es einfach nicht. Du warst verschwunden. Dann bin ich hierhergekommen, zu Lucy. Ich dachte, dass du dich vielleicht in ihr versteckt hättest oder so. Ich habe gewartet. Aber du bist nicht aufgetaucht. Ich habe dich gesucht. Jahrelang. Ich wusste nicht, ob du tot bist oder lebst. Immer wieder, an jeder Straßenecke, in jeder Bar, habe ich dein Gesicht gesehen.« Er brach ab, blinzelte einen Moment lang, sah ihr dann wieder in die Augen. »Irgendwann bin ich dann in den Westen gezogen. Nach Los Angeles. So weit weg von hier, wie ich konnte.«
    »Aber du bist zurückgekommen.«
    »Ja.«
    »Warum?«
    Ray zuckte die Achseln. »Du weißt doch, dass ich diesen ganzen mystizistischen Scheiß hasse, oder?«
    Megan nickte.
    »Aber irgendwas hat mich wieder hierhergezogen. Ich weiß nicht, was das war. Ich kam nicht dagegen an.«
    Sie schluckte. Noch während sie sprach, sickerte die Erkenntnis langsam durch. »Und als du zurück in Atlantic City warst, bist du auch wieder zu dieser Stelle in den Pine Barrens gegangen.«
    Er nickte. »Jedes Jahr am achtzehnten Februar.«
    »Du hast Fotos gemacht«, fuhr sie fort, »weil das deine Art ist, Ray. Du siehst die Welt durch ein Kameraobjektiv. So verarbeitest du das, was um dich herum geschieht. Und deswegen hast du in der Nacht, in der er verschwunden ist, das Foto von Carlton Flynn gemacht.«
    »Woher wusstest du, dass es von mir ist?«
    »Ach komm schon, Ray. Ich kenne deine Arbeit.«
    »Und was hast du gedacht, als du es gesehen hast?«, fragte Ray leicht gereizt. »Dass ich es getan habe, stimmt’s? Du hast gedacht, ich hätte Stewart damals umgebracht, und am Jahrestag, siebzehn Jahre später, hätte ich dann diesen Flynn umgebracht?«
    »Nein.«
    »Wieso nicht?«
    »Weil du das Foto an die Polizei geschickt hast«, sagte sie. »Wieso hättest du das Risiko eingehen sollen? Du tust das Gleiche wie ich. Du versuchst, der Polizei zu helfen. Du willst herausbekommen, was in der Nacht wirklich passiert ist.«
    Als Ray den Blick wieder abwandte, brach es ihr erneut das Herz. Tränen traten ihr in die Augen. »Ich hatte unrecht«, sagte sie. »Ich habe die ganze Zeit gedacht … Tut mir leid, Ray.«
    Er konnte sie nicht ansehen.
    »Ray, bitte.«
    »Bitte was?«
    »Rede mit mir.«
    Er holte ein paar Mal tief Luft und sammelte sich allmählich. »Am Jahrestag bin ich immer zu den Ruinen gegangen. Ich hab mich da hingesetzt und an dich gedacht. Ich hab daran gedacht, was wir beide in jener Nacht verloren haben.«
    Sie rückte näher an ihn heran. »Und du hast Fotos gemacht.«
    »Ja. Das hilft mir. Manchmal aber auch nicht. Du verstehst schon, was ich meine.«
    Sie verstand es. »Das Foto, das du der Polizei geschickt hast …«
    »Man hat es mir geklaut. Oder zumindest versucht, es zu klauen.«
    »Was?«
    »Ich hab so einen blöden Auftrag von Fester gehabt – den Paparazzi bei einer überkandidelten Bar-Mizwa gespielt. Auf der Straße hat mich dann jemand überfallen und mir die Kamera geklaut. Erst dachte ich, es wäre ein ganz normaler Raubüberfall, aber dann habe ich Carlton Flynn in den Nachrichten gesehen und mich an mein Foto erinnert. Ich hatte noch eine Kopie auf meinem Computer.«
    Sie sagte: »Du glaubst also, dass derjenige, der dich überfallen hat …«
    »Stewart Green und Carlton Flynn ermordet hat, ja.«
    »Du sagst ›ermordet‹. Das wissen wir aber nicht. Sie werden vermisst.«
    »Wir beide haben Stewart Green in der Nacht gesehen. Glaubst du wirklich, dass er das überlebt hat?«
    »Ich halte es für möglich. Du nicht?«
    Ray antwortete nicht. Er sah zu Boden und schüttelte den Kopf. Sie streckte die Hand aus und strich ihm die Haare aus der Stirn. Er war immer noch so verdammt attraktiv. Sie zog die Hand herunter und legte sie auf seine Wange. Er schloss die Augen.
    »All die Jahre«, sagte Ray, öffnete die Augen wieder und sah sie an, »habe ich immer wieder nach deinem Gesicht Ausschau gehalten. Tag für Tag. Sogar diesen Moment habe ich mir mindestens tausend Mal vorgestellt.«
    »So wie jetzt?«,

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