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Wer einmal lügt

Wer einmal lügt

Titel: Wer einmal lügt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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hatte weder das Gefühl der Machtlosigkeit noch den schrecklichen Schrei vergessen. Und diesen Schrei hatte er jetzt wieder im Ohr, er verfolgte ihn jeden wachen Moment und zerfetzte ihm die Eingeweide wie ein heißer Schrapnellsplitter.
    Del trank noch einen Schluck Macallan. Hinter ihm räusperte sich jemand. Normalerweise war Del ziemlich schreckhaft, zuckte bei dem leisesten Geräusch zusammen. Maria hatte ihn immer wieder darauf aufmerksam gemacht. Er hatte einen sehr leichten, von Alpträumen erfüllten Schlaf. Maria war verständnisvoll gewesen. Sie hatte ihn in den Arm genommen und ihm beruhigende Worte ins Ohr geflüstert. Das machte jetzt niemand mehr. Darya konnte selbst bei einem Rockkonzert schlafen. Del musste mit seinen Ängsten jetzt alleine zurechtkommen.
    Gott, wie hatte er Maria geliebt!
    Er war damals so glücklich gewesen in dem alten Haus in der Drexel Avenue, aber seine Dämonen hatten ihn verleitet, und Maria hatte kein Verständnis dafür aufgebracht. Wenn man in Ruhe darüber nachdachte, war das vollkommen unlogisch. Man konnte alkohol-, drogen- oder spielsüchtig sein. Man konnte sein Haus, seine Gesundheit, sein Geld verlieren. Man konnte aggressiv sein oder sogar Menschen misshandeln – wenn der Grund aber, sagen wir, Schnaps, Tabletten oder die Pferdchen waren, hatte die Welt Verständnis für dein Leiden. Deine wahre Liebe blieb bei dir, und du bekamst Hilfe. Wenn dein Dämon aber der Sex war, wenn man brauchte, was Del brauchte, also das, dem sich jeder normale Mann in der Geschichte der Menschheit irgendwann geschlagen geben musste, wenn du etwas tatest, was in den Genen jedes Mannes verankert war, etwas, das nie jemandem einen solchen Schaden zufügte, wie es Alkohol oder Tabletten konnten, außer durch Eifersucht – dann zeigte niemand Verständnis, und man verlor alles.
    Eigentlich war es ihre Schuld. Marias. Das Kind ohne Vaterfigur im Haus zu erziehen. Wieso nur hatte sie ihm nicht verzeihen können? Wieso hatte sie keinerlei Verständnis dafür aufbringen können, wie Männer nun einmal tickten? Er hatte sie geliebt. Wie konnte es sein, dass sie das nicht begriff?
    »Einen schönen, guten Abend, Mr Flynn.«
    Die Luft im Raum schien zu gefrieren, als die Stimme erklang. Del Flynn drehte sich langsam um. Als er sah, dass Ken und Barbie ihn anlächelten, sank die Temperatur noch ein paar Grad.
    »Haben Sie meinen Sohn gefunden?«
    »Noch nicht, Mr Flynn.«
    Beide standen einfach nur da und sahen aus, als hätten sie gerade einen Song in der alten Lawrence Welk Show gesungen oder … Wie hieß die blöde Feiertagssendung noch, die seine Eltern sich jedes Jahr angesehen hatten? The King Family . Was machten die denn jetzt? Und warum musste er immer an den verrücktesten Scheiß denken, wenn er die beiden sah?
    »Und was wollen Sie?«
    »Wir stecken in einem Dilemma«, sagte Ken.
    »Einem moralischen Dilemma«, ergänzte Barbie.
    Del kannte viele Leute. Wenn man hier lebte, mit Restaurants und Lieferanten zu tun hatte, lernte man jede Menge Leute kennen. Und früher, in seiner Jugend, war Rolly Lember einer seiner besten Freunde gewesen. Der war inzwischen der Boss des organisierten Verbrechens im Großraum um Camden herum. Del war zu ihm gegangen und hatte ihn um Hilfe bei der Suche nach seinem Sohn gebeten. Er hatte gewusst, dass er einen Pakt mit dem Teufel schloss. Das hatte ihn nicht sonderlich gestört. Lember hatte ihm versprochen, dass seine Leute die Augen offen halten würden, aber Del wäre besser bedient, wenn er noch zwei freischaffende Experten anheuern würde – die besten in der Branche. Er hatte Del gewarnt, sich nicht von ihrem Aussehen schockieren zu lassen. Außerdem hatte Del sich bei Goldberg gemeldet, einem Bullen, der allgemein dafür bekannt war, für einen entsprechenden Obolus interne Informationen herauszugeben.
    Nein, er würde die Suche nach seinem Sohn nicht allein der Polizei überlassen.
    Del wusste, dass Ken und Barbie im Lauf des Tages eine Stripperin ausfindig gemacht hatten, die Carlton gebumst hatte. Sie hieß Tonya oder Tawny oder so ähnlich. Die Polizei hatte das Mädchen schon vernommen, sie hatte aber fast nichts erzählt. Ken und Barbie war es gelungen, etwas mehr aus ihr herauszuquetschen.
    »Kennen Sie die Stadt Kasselton?«, fragte Ken.
    Del überlegte. »Das ist oben im Norden, oder?«
    »Ja.«
    »Ich glaube nicht, dass ich da schon mal gewesen bin.«
    »Sagt Ihnen vielleicht der Nachname Pierce etwas? David oder Megan

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