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Wer einmal lügt

Wer einmal lügt

Titel: Wer einmal lügt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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stimmt’s? Er hat Sie beschützt, und zum Teil waren Sie auch erleichtert, diesen Widerling los zu sein. Außerdem, wenn man in Ruhe darüber nachdachte, war Stewart Green einfach fällig, oder?«
    Sie antwortete nicht.
    »Sie haben in dieser Nacht also Stewart Green gesehen. Sie dachten, er wäre tot. Sie waren einerseits erleichtert, andererseits dachten Sie, Ihr Lover Ray Levine hätte ihn umgebracht. Also sind Sie abgehauen, damit er nicht geschnappt wird.«
    Sie war nicht sicher, was sie darauf erwidern sollte, also sagte sie: »Das bestreite ich ja gar nicht.«
    »Und darüber hinaus …«, Broome hob die Hand, »… sind Sie abgehauen, weil Sie eigentlich nicht bei Ray bleiben wollten, um ihn zu heiraten oder was auch immer, weil Sie Ray damals, ob zu Recht oder nicht klären wir noch, als Mörder ansahen. Auch davor sind Sie damals davongelaufen, richtig?«
    Broome trat einen Schritt zurück und musterte sie. Er sah, dass er einen Volltreffer gelandet hatte. Beide schwiegen einen Moment lang. Dann summte Broomes Handy. Ein Blick aufs Display verriet ihm, dass Goldberg ihn in sein Büro orderte.
    »All die Jahre«, sagte Broome, »haben Sie gedacht, Ray hätte Stewart Green umgebracht.«
    »Ich habe es für möglich gehalten.«
    Er breitete die Arme aus. »Das führt uns zur alles entscheidenden Frage: Warum haben Sie Ihre Meinung geändert?«
    »Dafür gibt es zwei Gründe«, sagte sie.
    »Ich höre.«
    »Erstens …«, sie zeigte auf den Tisch, »… hat Ray Ihnen dieses Foto geschickt.«
    Broome tat es mit einer Handbewegung ab. »Er wollte mit mir spielen. So etwas machen viele Serienmörder.«
    »Nein. Wenn er siebzehn Jahre Männer umgebracht hätte, hätte er nicht erst jetzt mit diesem Spiel angefangen. Sie hatten keine Ahnung, dass Carlton Flynn jemals da im Naturschutzgebiet war. Und ohne das Foto hätten Sie es auch nicht erfahren. Ray hat es Ihnen geschickt, weil er bei der Suche des Mörders helfen wollte.«
    »Also ist er nur ein anständiger Mensch, der seine Bürgerpflicht getan hat?«
    »Ja«, sagte sie. »Und außerdem will er, genau wie ich, die Wahrheit über diese Nacht erfahren. Überlegen Sie doch mal. Wenn Ray Ihnen nicht das Foto geschickt hätte, dann stünden Sie immer noch mit leeren Händen da.«
    »Und wie, bitte sehr, kam er dazu, dieses Foto zu machen?«
    »Das können Sie sich doch denken. Warum hat er es gerade dieses Jahr gemacht? Warum nicht schon letztes oder vorletztes Jahr? Wäre Ray der Mörder, dann hätte er Ihnen jedes Jahr ein neues Foto schicken können, oder? Die hätte er allerdings an Mardi Gras abgeschickt. Aber für Ray war der entscheidende Tag eben der achtzehnte Februar. Das war der Tag, an dem wir uns zum letzten Mal gesehen haben. Der Tag, an dem unsere Beziehung ihr traumatisches Ende gefunden hat. Also fährt Ray am Jubiläum dahin – am Jahrestag, nicht an Mardi Gras – und macht Fotos. Das ist nun einmal sein Ding. Indem er etwas fotografiert, verarbeitet er das, was passiert ist. Daher hat er auch keine Fotos von den anderen Opfern – weil er nur dann an Mardi Gras dort war, wenn Mardi Gras auf den achtzehnten Februar fiel. Er hat nur das Foto von Carlton Flynn.«
    Broome hätte fast angefangen zu kichern. »Wow, das ist jetzt aber wirklich ziemlich weit hergeholt.«
    Aber obwohl es ungeheuerlich klang und die Argumentation extrem löchrig war, hatte Broome im Lauf der Jahre gelernt, dass die Wahrheit ein viel eindeutigeres Aroma hatte als eine Lüge. Zudem brauchte er sich hier ja auch gar nicht auf seine Intuition zu verlassen. Hatte Ray wirklich von jedem achtzehnten Februar Fotos aus den Pine Barrens? Das würde ihre aberwitzige These stützen.
    Aber was noch wichtiger war: Wenn Ray ein Foto vom Opfer gemacht hatte, hatte er vielleicht, nur ganz vielleicht, auch eins vom Mörder gemacht.
    »Sie sagten eben, es gäbe zwei Gründe«, fuhr Broome fort.
    »Was?«
    »Sie sagten, es gäbe zwei Gründe für Ihre Meinungsänderung, dass Ray Stewart Green umgebracht hat. Bisher haben Sie mir allerdings erst einen genannt. Was ist der zweite?«
    »Das ist der banalste Grund überhaupt«, sagte Megan. »Stewart Green ist nicht tot.«
    Deputy Chief Samuel Goldberg hätte heulen können.
    Er tat es natürlich nicht, erinnerte sich nicht einmal mehr daran, wann er es das letzte Mal getan hatte, aber plötzlich war ihm danach. Er saß allein in seinem Büro. Sein Büro war ein Glaswürfel, und alle konnten hineinsehen, wenn er die Jalousien nicht schloss,

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