Wer einmal lügt
und sobald er das tat, wurden die Cops im Revier – von Natur aus misstrauische Wesen – sehr unruhig.
Goldberg schloss die Augen und rieb sich das Gesicht. Es kam ihm vor, als würde die Welt um ihn herum immer enger werden, als drohte sie ihn zu zerquetschen – ähnlich wie in der Szene mit der Müllpresse in Krieg der Sterne oder in der alten Batman-Fernsehserie, als Catwomans mit Stacheln bestückte Wand das dynamische Duo beinah aufspießt. Seine Scheidung hatte ihn ein Vermögen gekostet. Die Hypothekenraten auf sein Haus und das Haus seiner Ex waren absurd hoch. Seine älteste Tochter, Carrie, das fantastischste Kind, das ein Mann sich nur wünschen konnte, wollte Tennisstar werden, und das Internat in Florida bei einem weltberühmten Trainer war verdammt teuer. Es kostete Goldberg über sechzig Riesen im Jahr, fraß also fast den gesamten Nettolohn. Tja, und dazu kam noch Goldbergs exklusiver Geschmack, was Frauen betraf – so etwas war nie gut fürs Bankkonto.
Also musste er kreativ sein, um das alles irgendwie hinzubiegen. Wie das aussah? Er verkaufte Informationen. Na und? Meistens änderte sich dadurch absolut gar nichts. Das hatte sein kreatives Vorgehen mit der übrigen Polizeiarbeit gemein. Wenn man die Italiener loswurde, übernahmen die Schwarzen. Wenn man die am Wickel hatte, rückten die Mexikaner nach oder die Russen und so weiter. Also hatte Goldberg ein doppeltes Spiel getrieben. Es war niemand zu Schaden gekommen, außer ein paar Leuten, die es verdient hatten. Es waren sozusagen Verbrechen an Verbrechern verübt worden.
Was diese neue Situation betraf – die Informationsweitergabe im Fall Carlton Flynn –, tja, anfangs schien das noch simpler als sonst zu sein. Der Vater suchte sein Kind. Wer hätte dafür kein Verständnis? Der Vater glaubte, die Cops wären in ihren Handlungsmöglichkeiten zu stark eingeschränkt und er könnte ihnen unter die Arme greifen. Goldberg hatte zwar gewisse Zweifel, aber na ja – warum nicht? –, versuchen Sie’s. Schlimmstenfalls hatte der Vater hinterher wenigstens das Gefühl, alles, was in seiner Macht stand, getan zu haben. Dafür hatte wohl auch jeder Verständnis. Und bestenfalls, tja, die Polizei konnte wirklich nur eingeschränkt agieren. Sie musste sich an gewisse Regeln halten, auch an die bescheuerten. Personen, die nicht den Vollstreckungsbehörden unterstellt waren, unterlagen nicht diesen Beschränkungen. Womöglich würde also jeder von dieser Situation profitieren.
Und, yep, Goldberg bekam Geld dafür.
Eine Win-win-win-Situation.
Während seiner Ehe hatte Goldbergs jetzige Exfrau – eine jener schönen Frauen, die ernst genommen werden wollten, bei denen man sich aber nur deshalb die Mühe machte, mit ihnen zu reden, weil sie so schön waren – ihn mit einem Haufen Yoga-Zen-Buddhismus-Scheiß bombardiert und ihn vor den Gefahren seiner außerplanmäßigen Geldmacherei gewarnt. Sie hatte davon geredet, dass böse Taten die Seele vergiften könnten, dass sie ihn auf die schiefe Bahn brachten, auf der man immer mehr an Fahrt gewann, dass sie sein Chakra rot färben würden und so weiter. Sie hatte so lange darüber gesprochen, bis er sie darauf hingewiesen hatte, dass sie, wenn er auf sie hörte, in ein kleineres Haus ziehen, den Sommerurlaub absagen und Carries Tennisstunden streichen müssten.
Aber vielleicht war an diesem Schiefe-Bahn-Gefasel doch etwas dran. Eine Stripperin hatte sich ein paar Schrammen eingehandelt – eigentlich kein Problem, oder? Aber vielleicht doch? Vielleicht entwickelte sich daraus eine Lawine?
Und wohin hatte es geführt?
Megan Pierce, Ehefrau und Mutter zweier Kinder, die jetzt Del Flynns Psychopathen identifizieren konnte – dahin hatte es geführt. Sie musste zum Schweigen gebracht werden. Da lag das Problem, wenn man eine Grenze überschritt. Man trat mal kurz über den Strich, worauf der plötzlich verschwamm und man nicht mehr genau wusste, wo er gewesen war, und im nächsten Moment sollte man zwei verrückten Katalog-Models dabei helfen, eine Frau zu ermorden.
Goldbergs Handy klingelte. Ein Blick aufs Display zeigte ihm, dass es die Psycho-Braut war.
»Goldberg«, meldete er sich.
»Ist sie noch bei Ihnen im Revier, Deputy Chief Goldberg?«
Ihre beschwingte Stimme erinnerte ihn an die Chefin der Cheerleader-Truppe aus seiner Highschool-Zeit. »Ja.«
Die junge Frau seufzte. »Ich kann warten.«
Und dann sagte Goldberg etwas, das ihn selbst überraschte: »Das ist nicht nötig.«
»Wie
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