Wer fuerchtet sich vor Stephen King
sie führen“ hinausläuft. So gewinnt dieser Roman seinen Reiz hauptsächlich aus dem Zusammenspiel mit REGULATOR.
In REGULATOR wird dem Leser – was der Dramaturgie ein wenig Abbruch tut – schon ziemlich früh klar, dass der Dämon Tak in Seth Garin wohnt, dem sieben Jahre alten autistischen Neffen von Audrey Wyler, der mit seiner Familie die Mine in der Nähe des Orts Desperation besucht hat und dort übernommen wurde. Audrey, die als Geologin auch in DESPERATION mitwirkte, wohnt nun in der Poplar Street im Kaff Wentworth in Ohio, genau wie der Schriftsteller Johnny Marinville, der Tierarzt Tom Billingsley, der Polizist Collie Entragian, die Carvers, die Jacksons … und auch Steve Ames schaut vorbei.
Die Idee ist faszinierend: dieselbe Bedrohung, die bekannten Charaktere, manche anders geschildert, manche identisch wie im „Schwesterbuch“, manche mit demselben Schicksal, manche mit einem anderen, aber eine andere Handlungsführung mit einem anderen Showdown … Der Leser muss ständig umdenken und wird gewaltigen Überraschungen ausgesetzt, was die Charaktere betrifft.
Die Action setzt praktisch sofort ein: Seth ist Fan der (fiktiven) Zeichentrick-Serie „Moto-Kops 2200“ und alter Western-Filme und -Serien (wie Bonanza ), und als ein Fahrzeug aus der Serie „Moto-Kops 2200“ in Realgröße auftaucht, eröffnen die Insassen sofort das Feuer auf die Menschen auf der Poplar Street. Tak lebt vom Schmerz, den er anderen zufügt. Die Umgebung verwandelt sich in eine Westernlandschaft aus der Vorstellung eines kindlichen Fans, und Monster tauchen auf, die der Vorstellung eines Kindes entsprungen zu sein scheinen. Das mindert allerdings nicht die tödliche Gefahr, die von ihnen ausgeht.
King – pardon, Bachman – treibt die Handlung rasant voran, scheut vor Brutalitäten nicht zurück und überdreht vielleicht ein wenig, als er den Angriff auf Tak stattfinden lässt, als Seth auf die Toilette muss. Denn der Dämon ekelt sich davor, wenn der Junge scheißt, und zieht sich dann aus ihm zurück … Die eigentliche Auflösung ist aber nur konsequent.
Die Erzählstruktur erinnert ein wenig an CARRIE: Nach jedem Kapitel fügt der Autor einen Einschub ein – Zeitungsartikel, Tagebuchauszüge, etc. –, der den Hintergrund aufhellt.
Bei allen Vorzügen gilt aber auch für dieses Buch: Es ist am interessantesten, wenn man DESPERATION kennt …
So unterschiedlich die Bücher dieser Schaffensphase sein mögen, sie zeigen allesamt: King fühlt sich kaum noch seinen Wurzeln verpflichtet. Er hat festgestellt, dass er schreiben kann, was er will, und die Leser kaufen seine Bücher trotzdem.
Diese Erkenntnis spielte für seinen weiteren literarischen Entwicklungsprozess eine sehr wichtige Rolle, wie sich zeigen sollte.
THE MIST * THE DARK HALF * F13 * RIDING THE BULLET * THE PLANT * N. * UR * THE CANNIBALS * DISCORDIA * UNDER THE DOME
„Ich habe mein ganzes Leben lang darauf hingewiesen, dass die Geschichte wichtiger ist als die damit verbundenen Vertriebssysteme.“
Stephen King in seiner Kolumne „Pop of King“ in Entertainment Weekly , 2008
Nachdem Stephen Kings Karriere so richtig in Schwung gekommen war, konnte er es sich schon bald leisten, Experimente zu wagen, vor denen die Verlagsbranche normalerweise zurückschreckte wie der Leibhaftige vor dem Weihwasser. Er veröffentlichte über Jahre hinweg frühe Romane unter dem Pseudonym Richard Bachman, obwohl sie sich unter seinem richtigen Namen wesentlich besser verkauft hätten. Er mutete der Leserschaft einen Fortsetzungsroman in sechs Teilen zu, die alle auf den Bestseller-Listen landeten. Er veröffentlichte zwei Romane – DESPERATION und REGULATOR – an einem Tag, obwohl Bestseller-Autoren normalerweise nur ein Buch pro Jahr herausbringen – woran er sich schon lange nicht mehr gehalten hatte. Und er brachte die, wenn auch nur schmale, Storysammlung BLOOD AND SMOKE erstmals als Hörbuch heraus. Ganz zu schweigen von Romanen wie THE GUNSLINGER, den er in limitierter Auflage in einem Kleinverlag veröffentlichte, weil er befürchtete, seine Stammleserschaft mit diesem „experimentellen Text“ vor den Kopf zu stoßen. Ganz zu schweigen von Romanen wie THE PLANT oder EYES OF THE DRAGON, die er als mehr oder weniger hochwertige Privatdrucke an Freunde verschenkte, obwohl seine treuen Leser sie ihm aus den Händen gerissen hätten.
Nun mutet eine Hörbuch-Veröffentlichung wie BLUT UND RAUCH (2000) auf den ersten Blick wie ein konventioneller
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