Wer fuerchtet sich vor Stephen King
Leser vor den Kopf stoßen und vor Verständnisschwierigkeiten stellen wird. King scheint in dieser Phase seines Schaffens auf der Suche zu sein. Es zieht ihn zu neuen Themen, doch so ganz kann er seine Wurzeln nicht kappen. Heraus kommt dabei in der Tat ein ungelenker, bemühter Versuch.
Auch mit seinem nächsten Roman, THE GREEN MILE, beweist King erneut, dass er nicht vor Experimenten zurückscheut, wenn auch diesmal vor einem rein verlagstechnischen. Er legte den Text als Fortsetzungsroman in sechs Teilen an, die weltweit gleichzeitig ab Ende März 1996 erschienen. King ließ verlauten, er habe diese literarische Form keineswegs aus Ehrfurcht vor Charles Dickens gewählt, der seine Romane auch in Fortsetzungen in Zeitschriften veröffentlichte, sondern – ätsch! –, weil es ihn ärgere, dass der Leser zu den letzten Seiten weiterblättern und so erfahren könne, wie der Roman ausgehe. Was natürlich tödlich für jede Spannung und unmöglich ist, wenn das Ende erst in einem halben Jahr erscheint.
In Teil 1 (DER TOD DER JUNGEN MÄDCHEN) berichtet der für die Hinrichtungen auf dem elektrischen Stuhl verantwortliche Gefängnisaufseher Paul Edgecombe aus seinem Leben (was dem Autor Gelegenheit gibt, auch für Neueinsteiger die Handlung in jedem Band kurz zusammenzufassen). Zum einen machte ihm 1932 eine Blaseninfektion Ärger, zum anderen sein Untergebener Percy Wetmore, ein Neffe des Gouverneurs. Als der riesige Farbige John Coffey eingeliefert wird, der wegen Mordes und Vergewaltigung zweier weißer junger Mädchen zum Tode verurteilt wurde, beeindruckt der ruhige Mann ihn sehr.
Weitere Verwirrung stiftet eine zahme Maus, die auf geheimnisvolle Weise im Trakt der Todeszellen aufgetaucht ist und sich dem zum Tode verurteilten Delacroix angeschlossen hat.
King liefert am Ende des ersten Kapitels, das durch atmosphärische Schilderungen und genaue Charakterisierungen beeindruckt, zwar einige ominöse Hinweise auf die weitere Handlung, verzichtet aber auf einen typischen Cliffhanger, wie man ihn vielleicht erwartet hat.
In Teil 2 (DIE MAUS IM TODESBLOCK) erzählt King in einer Rückblende, wie die Maus im Todesblock auftauchte, die Stammbesetzung von anderen Personen zu unterscheiden schien und Percy sofort mit Abneigung bedachte. Er beschreibt die Hinrichtung eines Indianers und die Einlieferung von Delacroix, den Percy von Anfang an auf dem Kieker hatte, sowie possierliche Tricks der Maus, die immer mehr Intelligenz an den Tag zu legen scheint. Die Blasenentzündung des Erzählers und der Gehirntumor von Melly Moores, der Frau des Gefängnisdirektors, scheinen für den human touch zu sorgen, haben jedoch noch eine tiefere Bedeutung, während die Einlieferung des Mörders William Wharton den Höhepunkt dieses Teils darstellt und King Gelegenheit zu einem Cliffhanger bietet – Wharton greift Edgecombs Kollegen Dean Stanton an und droht ihn umzubringen, als King abrupt abbricht.
Es gelingt in Teil 3 (COFFEYS HÄNDE), den Angriff von „Billy the Kid“ Wharton abzuwehren. Coffey bittet Edgecombe in seine Zelle und befreit ihn durch Handauflegen von der Blasenentzündung. Daraufhin fährt Edgecombe zu dem Reporter, der über Coffeys Prozess berichtet hat, und versucht herauszufinden, ob der riesige Neger wirklich schuldig ist, ohne jedoch viel Neues zu erfahren. Wharton zeigt sich aufsässig und wird zweimal durch Anlegen einer Zwangsjacke gebändigt, und der fiese Wetmore rächt sich für die Schmach, die die Maus ihm anfangs zufügte, indem er sie umbringt.
In Teil 4 (DER QUALVOLLE TOD) erweckt Coffey die Maus wieder zum Leben, indem er sie in die Hand nimmt. Bei der kurz darauf erfolgenden Hinrichtung von Delacroix verzichtet Percy Wetmore absichtlich auf die Salzlake, die den Strom leitet, und der Deliquent stirbt unglaublich qualvoll nach mehrminütigem Todeskampf, er brät geradezu. Wetmore wird gezwungen, einen Versetzungsantrag einzureichen. Edgecomb ist mittlerweile überzeugt davon, dass Coffey die ihm zur Last gelegten Morde nicht begangen hat, und schmiedet den Plan, Coffey zur Frau des Gefängnisdirektors zu bringen, damit er ihr Leben rettet.
In Teil 5 (REISE IN DIE NACHT) führt Edgecomb vor seinen Kollegen einen schlüssigen Indizienbeweis, der Coffeys Unschuld aufzeigt. Er hat die beiden Mädchen nicht getötet, sondern erfolglos versucht, sie ins Leben zurückzuholen. Der nächtliche Streifzug gelingt: Die „Verschwörer“ sperren Wetmore in eine Gummizelle und bringen Coffey unbemerkt
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