Wer fuerchtet sich vor Stephen King
Allerdings fand King so viel Geschmack an seinem Anfang, dass er die Geschichte vollendete, und seine Version wurde dann gleichzeitig mit der des Siegers in dem Magazin abgedruckt und danach auch noch in mehreren Anthologien nachgedruckt. Bei seinen bisherigen Story-Sammlungen hat King diese Geschichte einfach „vergessen“, so dass er sie in diese aufnahm, obwohl sie von der chronologischen Einordnung her nicht hineinpasst: sozusagen ein „Hidden track“.
In „Die New York Times zum Vorzugspreis“ klingelt am Tag der Beerdigung ihres bei einem Flugzeugabsturz umgekommenen Mannes James bei Annie das Telefon. James ist am Apparat, meldet sich aus einem seltsamen Zwischenreich und warnt sie vor Gefahren …
„Stumm“ und taub ist ein Anhalter, der sich um die Probleme eines Vertreters kümmert. Dessen Frau hat sich einen Liebhaber genommen und Unterschlagungen begangen, die unmittlebar davor stehen, aufzufliegen. Kurz darauf sind Frau und Liebhaber tot. Bei einer Beichte versucht der Vertreter zu ergründen, welche Schuld er auf sich geladen hat.
Als Gentrys Vater im Sterben liegt, küsst die kleine „Ayana“ den alten Mann, der wieder gesundet, und berührt Gentry dabei. Nun verfügt er über diese Macht des Wunderheilens, kann sie aber nur einsetzen, wenn er dazu berufen wird.
„In der Klemme“ steckt ein reicher Börsen- und Immobilienmakler, der von seinem verhassten Konkurrenten und Nachbarn auf eine Baustelle gelockt und dort in ein Toilettenhäuschen gesperrt wird, in dem er elend verreckten soll. Die anschließende Befreiungsaktion verfügt schon über einen beträchtlichen Ekelfaktor, doch die anschließende Abrechnung fällt aus dem befürchteten Rahmen.
„In jenen Tagen“ – am Anfang seiner Karriere, schreibt King in der Einleitung über seine frühen Kurzgeschichten – „ging es nie darum, Literatur zu schreiben, und jede Diskussion über den ‚bleibenden‘ Wert meines Zeugs wäre ein ebenso großer Luxus“ wie eine Kreditkarte gewesen, die er sich damals nicht leisten konnte, weil sie ihn verführte, Geld auszugeben, das er einfach nicht hatte. Mit dem Honorar für seine Storys konnte er vielmehr für unvorhergesehene Ausgaben wie Autoreparaturen oder Ähnliches aufkommen. Und später als erfolgreicher Romancier schrieb er immer weniger Storys: „Vielleicht setzt eine Art kreative Klaustrophobie ein, sobald die Welt eines hauptberuflichen Schriftstellers auf sagen wir unter 280 Seiten schrumpft.“
Als King dann das Angebot bekam, die BEST AMERICAN SHORT STORIES für das Jahr 2007 herauszugeben, kehrte „die alte Erregung“ zurück, und er entdeckte seine Begeisterung für das Schreiben von Kurzgeschichten erneut. King zielt nun jedoch nicht mehr nur auf die Pointe ab: Beeinflusst von der Lektüre Hunderter von Kurzgeschichten, erlaubt er es sich, „literarisch“ zu schreiben, Stimmungen einzufangen, Personen zu schildern, aktuelle Ereignisse und Ängste aufzuarbeiten. Seine Themen sind nicht unbedingt neu – Anrufe aus dem Jenseits, das Abgleiten in „übersinnliche“ Welten, das Attentat des 11. September –, doch das tut dem literarischen Schrecken keinen Abbruch. Manchmal sind angedeutete Seelenlagen und Impressionen wirksamer als auf den Punkt ausgearbeitete Plots.
Nicht allen Kritikern gefiel diese neue Freiheit, manche werfen King vor, den Höhepunkt Zenit seines Schaffens mit diesen Stories endgültig überschritten zu haben, während andere darin eine kaum mehr erwartete Weiterentwicklung sehen. King selbst berührt das alles nicht sehr: „Taugen diese Storys etwas? Ja, ich finde schon. Sind sie Literatur? Das weiß ich nicht, und mich interessiert es auch nicht besonders; wen es interessiert, der frage einen Kritiker.“
Einige späte Kurzgeschichten wird King nicht in seine nächste Sammlung aufnehmen, andere wiederum erschienen erst nach SUNSET.
Zu der ersten Kategorie gehören „The Tale of Gray Dick“, ein Auszug aus WOLFSMOND, das 5. Kapitel des 2. Teils; „Lisey und der Irre“, die das zweite Kapitel des Romans LOVE darstellt, und auch „Erinnerung“, die King mit geringen Abwandlungen in den Roman DUMA KEY übernommen hat. Darin überlebt ein Bauunternehmer einen schweren Unfall, verliert jedoch einen Arm und muss weitere physische und psychische Folgeschäden überwinden. Als er zufällig beobachtet, wie eine Nachbarin einen Hund überfährt, tötet er das nicht mehr zu rettende Tier, um ihm Qualen zu ersparen. Dabei werden Erinnerungen an
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