Wer fuerchtet sich vor Stephen King
setzt sich schließlich ein Bild zusammen, das Licht ins Dunkel der Vergangenheit der Familie Landon bringt.
In der Gegenwart bereitet Lisey ihre Schwester Amanda Sorgen, die in eine Anstalt eingewiesen werden muss, und ein geheimnisvoller Anrufer, der massiv fordert, dass Lisey endlich den Nachlass ihres Mannes einer bestimmten Universität aushändigt. Konkret wird diese Bedrohung, als sie in ihrem Briefkasten eine tote Katze des Nachbarn findet und dann der Mann vor ihr steht und sie überwältigt und foltert – vielleicht eine Anspielung auf manche „Fans“, die den Kult um ihren Lieblingsautor gewaltig übertreiben?
Diese Ereignisse setzen immer mehr Erinnerungen in Lisey frei. In der Familie Landon herrschten die „Bösmülligkeiten“ vor (da hätte das Lektorat sorgfältiger arbeiten müssen, eine katastrophale Eindeutschung, wie überhaupt die Wortneuschöpfungen, die zum Reiz des Romans beitragen, in der deutschen Fassung allesamt schlecht übersetzt wurden – besser wäre „das schmierige – oder schleichende – Böse“). Und Scott hatte Zugang zu einer anderen Welt, in die nun auch Lisey eindringen kann, was es ihr ermöglicht, die Bedrohung durch den verrückten Angreifer ein für alle Mal auszuschalten. Als sie dann auch noch „ihre“ Geschichte findet, die Scott vor seinem Tod für sie geschrieben hat – „Lisey’s Story“, was dem Titel eine gewisse Doppelbödigkeit verleiht –, erschließen sich dem Leser alle Zusammenhänge.
Ein seltsamer Roman. Man merkt King förmlich an, dass er versucht hat, sich hier von bislang gängigen Strukturen zu lösen und etwas Neues auszuprobieren. Andererseits schien er sich nicht so ganz lösen zu können. Manches an dem Roman ist vage vertraut, es fehlt nur noch ein kleiner Federstrich, damit es völlig vertraut wäre. Das Wechseln in die andere Welt, die Scott und dann auch Lisey aufsuchen können, weckt Erinnerungen an den TALISMAN, DAS BILD und den BUICK und das „Flitzen“ im DUNKLEN TURM, auch sonst gibt es einige Anspielungen auf Kings Hauptwerk und vor allem die Werke, die Maine zum Schauplatz haben. Manche Passagen der Gegenwartshandlung wirken aufgesetzt und unpassend; böse Zungen haben finanzielle Gründe angenommen und vermutet, dass King diese Szenen nur eingebaut hat, damit der Roman überhaupt verfilmbar ist, was nun wirklich weit hergeholt scheint.
Vielmehr zeigt LOVE in der Tat einen „neuen“ Stephen King, einen, der vielleicht noch seine neue Stimme sucht, zu neuen Ufern aufbrechen möchte, aber noch nicht vertraut mit dem Weg ist.
Diese Stimme hat King in seinem nächsten Roman gefunden, WAHN, der ebenfalls von dem Unfall des Autors inspiriert wurde. Der Bauunternehmer Edgar Freemantle verunglückt schwer, er verliert einen Arm und trägt Gedächtnisstörungen davon; wegen seiner unbeherrschbaren Aggressivität trennt seine Frau sich von ihm. Freemantle willigt in eine einvernehmliche Scheidung ein und zieht auf die Florida vorgelagerte Insel Duma Key, die der alten Mafioso-Witwe Elizabeth Eastlake gehört, genau wie das Haus, das er gemietet hat. Während er sich allmählich von den Folgen seines Unfalls erholt, lernt er Elizabeth Eastlakes Verwalter Jerome Wireman kennen, mit dem ihn schon bald eine enge Freundschaft verbindet.
Edgar entdeckt auf Duma Key sein Talent für das Malen. Mit seinen Bildern hat es jedoch eine unheimliche Bewandtnis: Er scheint mit ihnen Einfluss auf die Wirklichkeit nehmen zu können. Er tötet mit einem seiner Bilder einen inhaftierten Kindesentführer, den er so malt, dass er nicht mehr atmen kann. Und er „befreit“ mit einem Bild Wireman von einer Kugel, die der sich bei einem Selbstmordversuch in den Kopf schoss und die dort inoperabel stecken blieb.
Edgars Bilder finden bei allen Anklang, die sie sehen, und schließlich stellt eine Galerie sie aus. Mittlerweile hat er mehr über Elizabeth Eastlake erfahren. Auch sie malte als kleines Kind Bilder, die die Wirklichkeit verändern konnten, und zwei ihrer Schwestern sind damals ertrunken. Allmählich kommt Edgar hinter die Geheimnisse der alten Frau.
Bei der Eröffnung seiner Ausstellung kommt es zur Katastrophe. Elizabeth Eastlake stirbt, und Freemantle erkennt, dass seine Bilder gefährlich sind. Durch sie will sich ein Dämon aus seinem Gefängnis befreien, mit dem auch schon die kleine Elizabeth zu tun gehabt hat. Durch seine Bilder kann Perse(phone) Einfluss auf die Gegenwart nehmen, um sich zu befreien oder Rache zu üben. Edgar
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