Wer fuerchtet sich vor Stephen King
muss das Drama aus Elizabeths Vergangenheit aufklären, um dem Geschehen Einhalt bieten zu können – was für manche seiner Mitmenschen jedoch zu spät kommt …
Ein sichtlich gereifter Stephen King präsentiert sich hier in Hochform. Von Anfang an entwickelt der Roman einen beträchtlichen Sog, und die Charaktere sind so lebensecht geschildert wie selten zuvor. Was King sonst manchmal zur Falle geriet – ein rundes, angemessenes Ende für seinen Stoff zu finden –, bewältigt er hier makellos. Längst nicht alle Geheimnisse um Perses Natur werden geklärt, doch das tut der Auflösung keinen Abbruch. King beschreibt hier nicht Dämonen, sondern Menschen.
Natürlich kommt einem manches bekannt vor, z.B. Edgars Fähigkeit, die King schon mehrfach beschrieben hat, oder der Handlungsaufbau mit dem Rätsel der Vergangenheit. Doch WAHN weiß trotzdem zu überzeugen. Nach LOVE ist dem Autor eine weitere Steigerung gelungen.
Aller guten Dinge sind drei. So viele Anläufe benötigte Stephen King, um DIE ARENA zu schreiben, sein Opus magnum des 21. Jahrhunderts. Den ersten, verschollenen Entwurf gab er 1976 nach zwei Wochen Arbeit und 75 Seiten auf, da ihm die technischen Probleme, die der Roman aufwarf, unlösbar schienen. 1981 versuchte er sich erneut an dem Stoff, siedelte den Roman diesmal jedoch in einem riesigen Apartment-Komplex an, dessen Bewohner in ihrem Gebäude eingesperrt sind und offenbar zu Kannibalen werden. Er brach auch diese Fassung ab, doch das erhalten gebliebene Manuskript umfasste schon etwa 500 Seiten. Am dritten Entwurf arbeitete er immerhin anderthalb Jahre, vom 22. November 2007 bis zum 14. März 2009, doch er vollendete ihn. Die deutsche Ausgabe des Romans hat rund 1280 Seiten.
Am 21. Oktober (2012?) senkt sich unvermittelt eine Kuppel über die Kleinstadt Chester’s Mill im amerikanischen Bundesstaat Maine. Nichts kann sie durchdringen, keine Atomrakete, keine Säure, wie die US Army kurz darauf feststellt. Für die Leser wird Chester’s Mill zu einem Bild der gesamten USA unter einer Käseglocke, für die Bewohner geht es schon bald ums nackte Überleben.
Einen schwachen Ersten Stadtverordneten namens Andy Sanders haben wir in Chester’s Mill, den man bald als nur leicht verfremdeten Präsidenten George Bush erkennt. Drahtzieher im Spiel um die Macht wird Jim Rennie, Zweiter Stadtverordneter und – inklusive Herzkrankheit – Abziehbild von Bushs Vizepräsident Dick Cheney. So gesehen ist DIE ARENA sicher ein sehr politischer Roman, eine Lektion in „Wie ersetze ich eine Demokratie durch eine Diktatur?“. Und eine vielleicht etwas verspätete Abrechnung mit acht Jahren Bush-Regierung.
Die Anspielungen halten sich jedoch hoffentlich in Grenzen. Jim Rennie ist nebenbei (mit einigen anderen städtischen Würdenträgern, darunter Reverend Coggins) an einem florierenden Drogenhandel beteiligt. Sein nur „Junior“ genannter Sohn leidet, wie sich später herausstellt, an einem Gehirntumor und bringt junge Mädchen um. Rennie wird ebenfalls zum Mörder, als der Priester Gewissensbisse bekommt und auspacken will. Statt mit Coggins zu bereuen, geht er in die Offensive, ruft den Notstand aus, verstärkt die Polizeitruppe, sichert sich sämtliche Propangas-Bestände der Ortschaft, um seine Meth-Fabrik weiterhin betreiben zu können, und rationiert die Lebensmittel. „Bürgerrechte“ sind nur noch ein leeres Wort: Polizeibrutalität wird – genau wie Vergewaltigung durch die Polizei – zum Alltag, Rennie inszeniert sogar Zwischenfälle, um die Bürger besser in den Griff zu bekommen.
Sein Gegenspieler ist Dale Barbara, genannt „Barbie“, Irakveteran und jetzt Koch im Sweetbriar Rose und zufällig ein guter Bekannter von Colonel Cox, dem Army-Kommandanten vor der Kuppel. Der Präsident befördert Barbie kurzerhand, beauftragt ihn, einen Generator zu suchen, der sich innerhalb der Stadtgrenzen befinden und das Kraftfeld erzeugen muss, verhängt das Kriegsrecht über Chester’s Mills und macht Barbie zum neuen starken Mann.
Rennie schlägt zurück. Er schiebt Barbie die Morde in die Schuhe, die sein Sohn begangen hat, und lässt ihn ins Gefängnis werfen. Aber auch Barbie hat einige Freunde gewonnen, diejenigen, die nicht alle Skrupel über Bord geworfen haben und stramm mitmarschieren, wenn der neue Machthaber ruft. Unterstützung bekommt er hauptsächlich von Julia Shumway, der Besitzerin und Redakteurin des Lokalblatts. Sie befreit ihn, doch dann wird das Propangas gezündet, das
Weitere Kostenlose Bücher