Wer hat Alice umgebracht?
an sich genommen, um mir den Mord in die Schuhe zu schieben. Eine andere Erklärung gab es nicht.
Ich hatte nämlich noch nie etwas aus der Uni mitgenommen, noch nicht mal ein Stück Würfelzucker aus der Cafeteria. Was hätte ich auch zu Hause mit dem schmutzigen alten Modelliermesser anfangen sollen?
Nein, jemand wollte mich unbedingt wegen Mordes ins Gefängnis bringen. Das wurde mir nun so richtig bewusst.
Was für Feinde hatte ich eigentlich, mal abgesehen von der toten Alice Wright?
Ich dachte sofort an meinen Ex Larry, der mich nach unserer Trennung noch wochenlang genervt hatte. Aber nun war er schon seit einem halben Jahr mit dieser dämlichen Janice Cardiff zusammen. Für die beiden schien es wirklich die große Liebe zu sein. Man sah Larry und Janice an der Uni nur noch zusammen. Sie hatten sogar die gleichen Kurse belegt, um möglichst viel Zeit miteinander zu verbringen. Ich musste mir eingestehen, dass sie auf mich total glücklich wirkten.
Warum hätte Larry mir jetzt auf einmal schaden wollen? Seit er mit Janice zusammen war, beachtete er mich überhaupt nicht mehr. Und soweit ich wusste, hatte er auch gegen Alice Wright nie etwas gehabt. Nein, das ergab keinen Sinn.
Und wenn nun ein Psychopath sein Unwesen an der Kunsthochschule trieb?
Jemand, der sowohl mich als auch Alice Wright hasste? Durch seine teuflische Falle hatte er jedenfalls zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Das eine Opfer war tot, das andere würde für sehr lange Zeit hinter Gittern landen.
Plötzlich wurde mir bewusst, dass es auch mich hätte treffen können. Diese Vorstellung ließ mir kalte Schauer über den Rücken laufen. War es vielleicht nur purer Zufall, dass nicht ich erstochen worden war? Wenn ich tot in meinem Blut gelegen hätte, wäre Alice Wright die Hauptverdächtige gewesen. Und dann würde sie jetzt hier in dieser Zelle sitzen und nicht ich.
Verdankte ich mein Leben nur der Willkür eines Geisteskranken?
Jedenfalls war ich jetzt fast erleichtert, dass ich mich im Polizeigewahrsam befand. Hier drin würde mir dieser Irre jedenfalls nichts tun können. Aber wie sollte ich jemals beweisen, dass Alice und ich die Opfer einer hinterhältigen Intrige geworden waren?
Plötzlich fühlte ich mich der Toten auf eine seltsame Art verbunden. Nie hätte ich für möglich gehalten, dass ich einmal etwas mit Alice Wright gemeinsam haben könnte. Und doch war es so. Höchstwahrscheinlich waren wir beide die Opfer eines irren Killers, der uns wie Marionetten in seinem kranken Spiel benutzt hatte.
Als das Abendessen gebracht wurde, grübelte ich immer noch darüber nach, wer etwas gegen Alice und mich hatte. Eigentlich glaubte ich nicht, dass ich etwas herunterkriegen könnte. Das Essen bestand aus zwei Scheiben trockenem Brot, dazu jeweils einem Klacks Marmelade und Honig. Außerdem gab es lauwarmen Pfefferminztee. Doch allmählich merkte ich, dass ich Hunger hatte. Daher schmeckte das Essen auch nicht so schlecht, wie es aussah. Schließlich musste ich bei Kräften bleiben. Wenn ich zusammenklappte, war damit niemandem gedient. Und wenn niemand an meine Unschuld glaubte, musste ich mir eben selber helfen.
Später lag ich unter der kratzigen Wolldecke. An Schlaf war nicht zu denken. Ich fühlte mich sehr einsam und verlassen. Ich verstand immer noch nicht, dass Fiona und Allison gegen mich ausgesagt hatten. Ich war mir hundertprozentig sicher, dass wir wenigstens die ersten Stunden des Tatabends miteinander verbracht hatten. Aber offenbar hatten meine Freundinnen sogar das geleugnet. Sie hatten die Polizei bewusst angelogen. Weshalb nur?
Warum hatte ich keinen Freund, der mich in diesem Moment einfach nur in den Arm nehmen konnte? Eigentlich war Larry doch gar nicht so übel, sagte ich mir mit einer Anwandlung von Sentimentalität. Janice Cardiff wurde von ihm offenbar auf Händen getragen. Das hätte jetzt ich an ihrer Stelle haben können. Bei diesem Gedanken kamen mir wieder die Tränen, obwohl ich wirklich nicht mehr in diesen Egoisten verliebt war.
Ob meine Eltern schon wussten, dass ich verhaftet worden war? Jedenfalls musste ich damit rechnen, dass die Polizei auch mit ihnen Kontakt aufnehmen würde. Und das war mir gar nicht recht. Mein Dad durfte sich nicht aufregen, er hatte ein schwaches Herz. Wie würde er auf die Nachricht reagieren, dass seine einzige Tochter eine Mörderin sein sollte?
Trotz meiner Sorgen und Ängste fielen mir irgendwann vor lauter Erschöpfung die Augen zu. In meinen Albträumen
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