Wer hat Alice umgebracht?
hast.“
Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen, um diese Sätze auszusprechen. Hoffentlich zitterte meine Stimme nicht allzu sehr. Ich weiß nicht, was für eine Reaktion ich erwartete. Am liebsten wäre es mir wohl gewesen, wenn Robert Cincade auf die Knie gefallen wäre und alles gestanden hätte. Doch er schüttelte nur den Kopf, als ob er es mit einem uneinsichtigen Kind zu tun hätte.
„Nein, ich habe Alice nicht umgebracht. Es tut mir leid, dass sie tot ist. Aber wir sind schon seit ein paar Wochen nicht mehr zusammen. Alice und ich hatten uns nichts mehr zu sagen. Doch das ist noch kein Grund, um sie zu töten.“
Nun ergriff Cameron das Wort.
„Robert, ich glaube dir nicht, dass dich Alices Tod so kaltlässt. An der Uni giltst du als ein temperamentvoller Typ. Aber auf mich wirkst du momentan fast gelangweilt. Bist du sicher, dass du nichts eingeworfen hast?“
Robert Cincade grinste.
„Denkst du an Drogen? Nee, aber trotzdem hast du irgendwie recht, Cameron. Ich bin wirklich ziemlich benebelt. Aber vor Liebe, verstehst du? Ich bin verknallt, wie ich es noch nie zuvor gewesen bin. Das ist wohl auch der wahre Grund, warum mich Alices Ende so kaltlässt. Es gibt da eine andere Frau, die mich total durcheinandergebracht hat.“
Alices Freund schaute erst Cameron, dann mich an. Ich wusste, dass ich nun die entscheidende Frage stellen musste.
„Wir haben gehört, dass du in mich verliebt bist.“
Robert Cincade hob die Augenbrauen. Er wirkte jetzt ehrlich überrascht.
„Nein, das bin ich nicht. Außerdem ergibt das doch gar keinen Sinn. Wenn ich in dich verliebt wäre, würde ich dir den Mord bestimmt nicht in die Schuhe schieben wollen.“
„Es könnte ja auch anders gewesen sein: Alice wollte ihren eigenen Tod inszenieren, um mich zu belasten. Aber bevor sie ihren Plan vollenden konnte, habt ihr euch gestritten, und du hast sie umgebracht. Und zwar im Affekt, ohne über die Folgen nachzudenken. Es war sicher nicht deine Absicht, mich als Mörderin dastehen zu lassen. Aber Alice wollte mir diese Rolle zuschieben.“
„Ich habe Alice nicht getötet“, beharrte ihr Freund. „Aber trotzdem liegt ihr gar nicht so falsch mit eurem Verdacht. Alice wollte nämlich auf Nimmerwiedersehen aus Schottland verschwinden, das weiß ich. Ich war ihr lästig, sie hat mich schon lange nicht mehr geliebt. Alice hatte Geheimnisse vor mir. Es gab einen Grund dafür, dass sie sich absetzen wollte. Diesen Grund kenne ich aber nicht. Sie hat immer so getan, als ob nichts wäre. Sie hat mir eine heile Welt vorgegaukelt. Doch ich habe sie durchschaut.“
„Ich glaube dir kein Wort“, sagte ich. „Warum hast du dich nicht schon längst von Alice getrennt, wenn ihr euch so fremd geworden seid? Und woher willst du wissen, dass deine Freundin wirklich etwas vor dir verheimlicht hat? Soweit ich weiß, war Alice sehr eifersüchtig. Sie hätte dich niemals gehen lassen, wenn du in eine andere Frau verliebt warst. Wo soll diese andere Frau überhaupt sein? Oder existiert sie nur in deiner Einbildung?“
Robert Cincade machte eine hilflose Handbewegung. Doch bevor er etwas erwidern konnte, geschah etwas Unerwartetes.
„Nein, sie ist hier.“
Cameron und ich zuckten zusammen, denn diese Worte waren nicht von Robert Cincades Lippen gekommen. Wir hatten nicht bemerkt, dass die Tür zum Nebenzimmer geöffnet worden war.
Nun kam eine schlanke Frau in meinem Alter herein. Sie hatte lockiges blauschwarzes Haar, das fast bis zum Po reichte. Ihre Augen waren mit schwarzem Kajalstift geschminkt, während ihr Lippenstift blutrot war. Ich musste zugeben, dass sie verdammt gut aussah. Sowieso wären den meisten Typen bei ihrem Anblick die Augen aus dem Kopf gefallen, denn sie trug nur einen schwarzen Slip und ein hauchdünnes Negligé. Ihr Gesichtsausdruck hatte etwas Katzenhaftes. Und von dieser Frau ging eine unbestimmte Gefahr aus, obwohl sie keine drohende Haltung annahm. Aber sie hatte irgendwie etwas Ungutes an sich, anders kann ich das nicht nennen. Plötzlich hatte ich ein ziemlich mulmiges Gefühl in der Magengegend.
„Hallo, Nelly“, sagte Cameron. Ich blinzelte überrascht und schaute meinen Begleiter an.
„Du kennst sie?“
„Kennen ist zu viel gesagt. Das ist Nelly Perkins. Sie war auch mal Aktmodell an der Kunsthochschule, mehr weiß ich nicht über sie. Und sie ist auf dem Esoterik-Trip. Nicht wahr, Nelly?“
„Du kannst dich ruhig über die Kräfte des Kosmos lustig machen, Cameron“, zischte diese Nelly.
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