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Wer hat Angst vor Beowulf?

Wer hat Angst vor Beowulf?

Titel: Wer hat Angst vor Beowulf? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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eines Mannes, das Lächeln eines Mädchens.‹
    Das geht noch viel weiter«, fuhr er fort. »Hat mir als Kind immer schreckliche Angst eingejagt.«
    Hildy, die, der Macht der Gewohnheit folgend, ihr Notizbuch hervorgeholt hatte, steckte es wieder ein. Die Verse deuteten auf einige faszinierende Einblicke in verschiedene textliche Probleme in der Älteren Edda hin, aber dies war weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort, um sich damit auseinanderzusetzen.
    »Wenn es so gefährlich ist, dann sollten wir hinterhergehen und den anderen helfen«, schlug sie vor.
    »Aber, wir …« Arvarodd fuchtelte nervös mit den Händen.
    »Schließlich ist er der König«, nahm Hildy Arvarodds Argument von vorhin geschickt auf. »Wir sind ihm verpflichtet und müssen ihn beschützen.«
    »Fangen Sie bloß nicht so an«, murrte Arvarodd. Er knüllte das Kekspapier zusammen und warf es gegen die Windschutzscheibe.
    Hildy saß ruhig da, nahm dann den Seherstein aus der Tasche und klemmte ihn sich ins Auge. Sie sah, wie der König und seine Gefährten gerade ein mit Teppichboden ausgelegtes Büro durchquerten. Sie sahen nicht, daß zwei Männer in blauen Overalls, Gewehre in den Händen, jeden Moment den Raum betreten würden. Hildy wollte etwas rufen und sie warnen. Als die Tür am anderen Ende des Büros geöffnet wurde, rief der König irgend etwas und zog sein Schwert. Ein Schuß fiel. Hildy schrie auf, aber der König stand immer noch auf den Beinen; einer der beiden Männer hatte ihm das Schwert aus der Hand geschossen. Der Zauberer kreischte den einen oder anderen Zauberspruch, aber keiner davon wirkte, und Brynjolf starrte mit Entsetzen auf seine Füße, die sich weder in die Pranken eines Bären noch in die Krallen eines Adlers verwandelt hatten. Die Wächter lachten. Langsam hoben der König und seine Begleiter die Hände und legten sie über den Kopf.
    »Können Sie was sehen?« flüsterte Arvarodd ängstlich, dem allein schon wegen Hildys Reaktionen der Schweiß ausgebrochen war.
    »Ja. Es sieht nicht gut aus. Man hat sie gefangengenommen, ihre Zauberkünste sind dort anscheinend wirkungslos.« Hildy blickte nach hinten, aber Arvarodd war verschwunden. Er hatte sich seinen Bogen geschnappt und rannte bereits auf die Stahltüren zu. »Warten Sie auf mich!« rief Hildy und rannte hinter ihm her.
    Die Tür stand immer noch offen. Hildy versuchte, mit Arvarodd Schritt zu halten, als er die Treppen hinaufsprang, aber er war zu schnell. Keuchend verharrte sie auf dem ersten Treppenabsatz, dann blickte sie durch die Halle und entdeckte den Aufzug. Entgegen ihren Befürchtungen funktionierte er. Sie drückte auf die 4 – sie hatte keine Ahnung, woher sie wußte, daß es der vierte Stock war – und lehnte sich gegen die Fahrstuhlwand, um wieder zu Atem zu kommen. Die Türen glitten auf, und sie sprang hinaus.
    Was, um alles in der Welt, hatte sie hier eigentlich vor?
    Sie wollte wieder in den Aufzug steigen, aber die Türen hatten sich bereits geschlossen, und vom anderen Ende des Flurs drangen hastige Schritte herüber. Sie öffnete die nächstbeste Bürotür und schlüpfte hinein.
    Es war ein kleiner Raum, und überall an den Wänden hingen kleine Stahlschränke, die wie Gaszähler oder Sicherungskästen aussahen. Hildy hatte plötzlich eine Idee: Wenn es ihr gelänge, das Licht auszuschalten, könnte der König vielleicht im Dunkeln entkommen. Mit Hilfe ihrer Taschenlampe überflog sie die Beschriftungen. Unten in einer Ecke entdeckte sie einen kleinen Glasbehälter.
    ›MAGIE-VERSORGUNG – NICHT BERÜHREN!‹ stand auf dem Etikett. Und darunter, in kleineren Buchstaben: ›Bei Stromausfall Scheibe einschlagen und Knopf drücken. Dadurch wird der aus der Hauptversorgung gespeiste Zauber deaktiviert. Der Notzauber beginnt automatisch nach sieben Minuten zu wirken.‹
    Mit dem hinteren Ende ihrer Taschenlampe zerschlug Hildy das Glas und drückte kräftig auf den Knopf. Gleich darauf verwandelten sich die Gewehre der Wachposten unerklärlicherweise in Narzissensträuße.
    »Narzissen?« fragte der König verdutzt, während er zwei Köpfe gegeneinanderschlug. Der Zauberer zuckte mit den Achseln und gab ein Geräusch wie die sanitäre Einrichtung eines Hotels von sich.
    »Na ja, ganz hübsch«, murmelte der König. »Aber jetzt laßt uns abhauen.«
    Sie rannten den Weg, den sie gekommen waren, zurück und stießen dabei fast mit Arvarodd zusammen, der ihnen auf der Treppe entgegenkam.
    »Was ist passiert?« fragte

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