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Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Titel: Wer hat Angst vor Jasper Jones? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Silvey
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und mit Süßwasserkrebsen ein Vermögen machen. Wir könnten zu den jeweiligen Jahreszeiten auf den Plantagen arbeiten, im Morgengrauen Pfirsiche pflücken und uns nachts beim Pokern ins Zeug legen. Austern. Perlen. Gold. Ich könnte mich in Universitäten einschleichen und umsonst studieren. Wir würden die Kohle zusammenklauben und über die Runden kommen. Ich könnte weiter meine Schreibblöcke füllen mit allem, was mir einfällt. Mit Briefen an Eliza. Und ich würde endlich die richtigen Worte finden für all das, was ich ihr schon immer hatte sagen wollen. Ich wäre geistreicher als Oscar Wilde und würde aus tausend Meilen Entfernung ihr Herz zum Schmelzen bringen.
    Wir wären wie Kerouac und Cassady. Würden uns heimlich auf Güterwagons schmuggeln und durchs ganze Land fahren. Nach Melbourne und Sydney und in sämtliche Orte dazwischen. Ich könnte unsere Abenteuer festhalten und unsere Geschichte vielleicht eines Tages unter einem Pseudonym veröffentlichen. Dafür müsste ich nach New York ziehen. Der berühmte Schriftsteller, der aus seiner Heimatstadt floh und das Rampenlicht scheut. Jeden Morgen würde ich eine Weile im Hotel Plaza warten, um zu sehen, ob Eliza Wishart vielleicht vorbeikommt. Und eines Tages würde sie auftauchen. Sie würde wie angewurzelt stehen bleiben und sich vergewissern, dass ich es tatsächlich bin. Sie würde einen dicken Mantel tragen und hätte die Haare hochgesteckt. Sie würde meinen Namen sagen, ihre Taschen fallen lassen und auf mich zulaufen. Wir würden uns küssen und in der Kälte in den Armen halten. Sie würde mir mit dem Daumen den Lippenstift vom Mund wischen, und dann würden wir hineingehen und zusammen den Fünf-Uhr-Tee einnehmen. Ich würde ihr alles über Jasper und Laura erzählen und endlich das Schloss knacken, und sie würde alles verstehen, weil sie älter und klüger wäre und das Loch in ihrem Herzen ein wenig geheilt. Vielleicht.
    Ich weiß es nicht. So ein Schlamassel.

    Am frühen Abend, als meine Mutter gegangen ist, klopft mein Vater an die Tür.
    «Gehst du in die Stadt, um dir das Feuerwerk anzusehen?»
    Ich zucke die Achseln.
    «Warum nicht?», erkundigt er sich.
    «Ich weiß nicht. Mir ist einfach mehr danach hierzubleiben. Vielleicht gehe ich später zu Jeffrey.»
    Mein Vater nickt mit hochgezogenen Augenbrauen und vorgeschobener Unterlippe. Er wirkt abgelenkt. Es ist untypisch für ihn, so unschlüssig an der Tür zu verharren.
    «Hör mal, Charlie. Ich muss dir was sagen … du hast recht gehabt, weißt du.»
    «Recht womit?»
    «Mit mir», sagt er leise. «Ich habe wirklich geschrieben. In meinem Arbeitszimmer.»
    Stirnrunzelnd setze ich mich auf. Er fährt fort.
    «Ich habe an einem Roman gearbeitet. Sehr lange. Und heute bin ich damit fertig geworden. Ich wollte ihn dir zuerst zeigen. Ehrlich gesagt möchte ich, dass du der Erste bist, der ihn liest.»
    Er macht die Tür noch weiter auf und gibt den Blick auf ein Manuskript frei, das er in der Linken hält. Ich frage mich, warum ich ihn nie haben tippen hören. Ich weiß nicht recht, was ich sagen soll. Eigentlich müsste ich mich stolz und geehrt fühlen, ihm gratulieren und Bewunderung und Unterstützung äußern. Doch ich bin einfach nur müde und stinksauer, als er das Bündel auf meinen Schreibtisch legt. Ich schaue es an wie eine Schüssel mit kaltem, gedünstetem Kraut.
    «Das kommt ziemlich überraschend, nehme ich an», sagt er, während er vor mir aufragt. Ich nehme die erste Seite und lese den Titel:
Pattersons Fluch.
    «Na dann», sagt er, wippt auf den Füßen und schiebt die Hände in die Taschen. Er wirkt auf schüchterne Art nervös. «Dann lasse ich dich mal allein damit. Lass dir Zeit und denke in Ruhe darüber nach. Wer weiß, Charlie, vielleicht versuche ich, ihn zu veröffentlichen. Ein eigenes Buch im Regal, stell dir das mal vor!»
    Ich lächle verkniffen und nicke ihm zu, als er aus dem Zimmer geht. Er schließt die Tür hinter sich. Ich betrachte den Papierstapel vor mir, der so dick ist wie eine Bibel. Mit dem Daumen lasse ich die Seiten abrollen, sodass mir ein heißer, staubiger Luftzug ins Gesicht weht. Der Name meines Vaters steht unter dem Titel.
Pattersons Fluch.
Ich schürze säuerlich die Lippen.
Bucktins Neid.
Ich kann nicht anders. Am liebsten würde ich alles zerreißen und im Zimmer verstreuen. Es ihm in sein freundliches, gutmütiges Gesicht klatschen. Ich bin immer davon ausgegangen, dass es etwas Schönes sein würde, was wir teilen könnten,

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