Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Titel: Wer hat Angst vor Jasper Jones? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Silvey
Vom Netzwerk:
schiebt Jasper den Unterkiefer vor.
    «Himmel noch mal, Charlie. Hör zu. Entweder du hilfst mir, oder du lässt es bleiben. Das ist deine Entscheidung. Mir ist es scheißegal. Du schuldest mir nichts, das stimmt. Aber du hast gesagt, dass du die Sache mit mir durchziehst, und ich hab dich beim Wort genommen, Charlie. Wahrscheinlich hast du bloß die Hosen voll. Sonst nichts. Der ganze Schwachsinn, den du da von dir gibst, kommt bloß daher, dass du Schiss hast. Aber was hab ich dir am Anfang gesagt? Ich hab versprochen, dass dir nichts passiert. Ich hab gesagt, ich sorge dafür, dass du auf der sicheren Seite bist und dass du dir keine Sorgen machen musst. Das gilt auch für heute Abend. Du kannst selbst entscheiden, ob du mir vertraust oder nicht. Ich warte am Bahnhof auf dich, bis es dunkel wird. Wenn du nicht da bist, bist du nicht da. Kein Problem. Ist in Ordnung. Aber ich hoffe, du kommst, Charlie, weil ich deine Hilfe brauch. Ich muss das hier klarstellen, und zwar nicht bloß für mich, vergiss das nicht. Ich muss tun, was richtig ist. Ich muss diesen Schweinehund drankriegen.»
    Ehe ich antworten kann, huscht Jasper davon.
    Ich bin völlig durcheinander und laufe eine Weile im Zimmer auf und ab. Ich starre aus dem Fenster in den pfirsichfarbenen Sonnenuntergang, der alles mit seinem Glanz überzieht. Dann hocke ich mich hin und ziehe mir die Schuhe an. Ich gehe zum Arbeitszimmer meines Vaters und klopfe an. Er wirkt ein wenig überrascht, mich zu sehen. Ich erkläre ihm, dass ich es mir anders überlegt habe und mit Jeffrey losziehe, um das Feuerwerk anzuschauen. Daran, wie enthusiastisch er reagiert, merke ich, dass er enttäuscht ist, weil ich mich nicht sofort hingesetzt habe, um seinen Roman zu lesen. Und ein winziger, gemeiner Teil von mir freut sich über seinen Kummer.
    Ich muss schleunigst aus unserer Straße verschwinden, damit Jeffrey mich nicht sieht und sich entschließt mitzukommen. Ich schlendere den Hügel hinab und kicke Kieselsteine vor mir her. Die meisten Familien sind jetzt auf dem Weg in die Stadt, fein herausgeputzt albern sie herum. Ich wünschte, ich wäre an ihrer Stelle.
    Die Welt steht in Flammen. Die Sonne ist ein riesengroßer roter Ball. Als ich am Cricketklub vorbeikomme und mich dem Stadtpark nähere, ist der Himmel blassviolett, klar und überwältigend. Es ist nicht weit bis zur Stadtmitte. Sie haben die Hauptstraße gesperrt, und die Leute schieben sich plaudernd von hier nach da. Ich bleibe auf der Straße und ducke mich hinter dahinschlendernde Familien, aus Angst, Eliza könnte weiter vorn in der Menge sein. Das Licht schwindet rasch, und ich weiß nicht, ob mir genug Zeit bleibt, um den langen Weg rund um das Oval zu nehmen. Ich bin mir nicht sicher, wie lange Jasper warten wird. Etwas in mir, jener nicht unerhebliche Teil, der meine Beine träge und schwer werden lässt, hofft darauf, die Bahnhofstreppe verlassen vorzufinden.
    Jetzt kann ich das Johlen und die schrillen Rufe der Menge hören und ganz leise die flotten Melodien der Buschband oben beim Pub. Ich beschließe, dicht hinter der vor mir gehenden Familie zu bleiben, die breit genug ist, um mir als Schutzschild zu dienen, und ich bete, dass Eliza mich nicht entdeckt.
    Ich höre Lachen und Geplauder. Zu beiden Seiten der Hauptstraße haben Kinder angefangen, «Wer hat Angst vorm schwarzen Mann» zu spielen. Sie huschen und schlängeln sich durch die Menge wie Fische durchs Wasser, ducken sich und drücken den Rücken durch, um nicht abgeschlagen zu werden. Es gibt Verkaufsbuden und verschiedene Attraktionen. Vor dem Eisenwarenladen hat sich ein lärmender Kreis von Glücksspielern zum «Two-Up» zusammengefunden. Auf dem geschotterten Parkplatz der Miners’ Hall brennt ein riesiges Lagerfeuer. Eine Pyramide aus alten Eisenbahnschwellen dient den Flammen als Nahrung. An der Mauer der Versammlungshalle stehen Kisten mit Feuerwerkskörpern, an denen sich später sicherlich einige besoffene Idioten beim Anzünden die Finger verbrennen werden.
    Hinter der Versammlungshalle haben sie Kohlen in ein längliches Loch geschaufelt, über dem sich ein halbes Dutzend Lammbraten dreht. Ihr Aroma erfüllt die Luft und macht hungrig.
    Mit kleinen Erfrischungen in der Hand strömen die Leute aus der Halle wie Wespen aus ihrem Bau. Als die Menge dichter wird, senke ich den Kopf. Vor der Band hat sich ein Linedance formiert, und die Tänzer stampfen und hüpfen zu einer Polka. Ein fröhlicher Halbkreis aus Zuschauern klatscht

Weitere Kostenlose Bücher