Wer hat Angst vor Jasper Jones?
knallen und knattern hören kann. Ich meine sogar kleine bunte Lichtblitze zu sehen. Wie gern wäre ich jetzt dort.
Drinnen brennt Licht. Er ist zu Hause. Wir sind jetzt ganz nah. Jasper geht mit schnellen, aggressiven Schritten. Neben dem Cottage sehe ich den mit Pfirsichen beladenen Baum. Selbst die Früchte kann ich riechen, sie sind süß, dick und überreif.
Die Veranda knarrt unerträglich laut, als Jasper auf die Dielen tritt. Ich bleibe zurück und halte mich an einem Stützpfeiler fest, als er tief Luft holt und mit der Kante seiner Faust dreimal gegen die Tür schlägt.
«Lionel!»
Meine Beine quittieren den Dienst. Ich klammere mich an den Pfeiler, als wäre ich in einem Sturm gefangen. Ich sehe einen Schatten und halte die Luft an.
Da ist er.
Mad Jack Lionel.
Er ist nicht annähernd so groß, wie ich erwartet habe. Oder so breit. Im Grunde fällt mir als Erstes auf, wie
alt
er aussieht. Wie gebeugt und verhärmt. Ganz und gar nicht wie Albert Fish. Er trägt ein paar schmuddelige graue Arbeitshosen und ein ausgeblichenes blaues Unterhemd mit Löchern, dort, wo die Motten sich gelabt haben. Seine Füße sind nackt. Sein weißes Haar ist gekämmt, und seine Schultern sind reichlich behaart. Langsam und verwirrt öffnet er die Fliegengittertür; wie ein Mann, der nicht häufig Besuch bekommt. Was mich jedoch am meisten überrascht, ist Lionels Gesichtsausdruck, als er Jasper Jones erkennt. Seine ausdruckslose Miene leuchtet auf vor Freude. Er lächelt mit einer Reihe gelber Zähne. Seine grünen Augen werden glasig. Einen Moment lang betrachtet er Jasper von Kopf bis Fuß.
«Jasper! Gütiger Gott, du bist es! Was sagt man dazu? Was für eine Überraschung! Komm rein, komm rein.»
Jasper hat nicht gelogen: Lionel kennt seinen Namen. Er streckt die Hand aus und will Jasper an der Schulter ins Haus ziehen. Doch Jasper weicht zurück und reißt den Arm weg. Ich zucke zusammen.
«Lass die Finger von mir. Du fasst mich nicht an. Klar?»
Lionel mustert ihn. Dann nickt er kurz.
«Verstehe. In Ordnung. Aber komm doch rein. Bitte. Komm rein.»
Lionel dreht sich unbeholfen um und winkt Jasper hinter sich her, während er vor uns durch den Flur geht. Er hinkt stark, vor allem auf der rechten Seite. Mit gerunzelter Stirn sieht sich Jasper nach mir um. Er schwitzt. Schweißtropfen stehen ihm auf den Augenbrauen. Er hat feuchte Halbmonde unter den Achseln. Ich ziehe fragend die Schultern hoch. Jasper holt tief Luft, und seine Brust hebt sich. Dann folgen wir Mad Jack Lionel ins Haus.
Es ist düster in dem kleinen Cottage. Das Licht ist merkwürdig, dotterfarben. Die Tapeten sind verblasst und zerschlissen. Alles riecht nach Staub und Terpentin. Zu meiner Linken befindet sich ein Wandbehang mit Schmetterlingen, die mit Nadeln aufgespießt wurden. Sie wirken nicht sehr farbenfroh. Der Sims im Flur steht voller Fotografien, billigem Zierrat und Deckchen, aber mir bleibt keine Zeit, sie genauer zu betrachten. Wir schlurfen in Mad Jack Lionels Wohnzimmer. An der Wand lehnt ein Gewehr. Ich weiche zurück. Noch hat er mich nicht gesehen. Vielleicht schaffe ich es lebend hier raus, wenn er mich nicht zu Gesicht bekommt.
Lionel streckt die Hand aus.
«Setz dich doch, Jasper. Nimm Platz.»
«Ich will mich nicht setzen», sagt Jasper bestimmt.
«Oh, und wer ist das? Ich habe dich draußen gar nicht gesehen. Ist das dein Freund? Hallo, mein Junge.»
Mit verschränkten Armen tritt Jasper einen Schritt zurück.
«Das ist Charlie. Mehr brauchst du nicht zu wissen. Es spielt sowieso keine Rolle, weil wir hergekommen sind, um darüber zu reden, was
wir
wissen. Über dich.»
Mad Jack Lionel scharrt mit den Füßen. Seine Miene verdüstert sich. Er wirkt betroffen.
«In Ordnung.»
«Wir wissen, dass du’s warst. Dass du’s getan hast.»
Jack Lionel betrachtet Jasper nachdenklich. Seine roten, wässrigen Augen wirken traurig. Er seufzt.
«Warum setzt ihr Jungs euch nicht? Kommt, setzt euch hin, und ich mache uns was zu trinken. Es ist nicht viel im Haus, aber ich hab jede Menge Tee.»
Er deutet auf zwei schäbige Lehnsessel am Fenster. Jasper schüttelt den Kopf.
«Wir nehmen von dir nichts an. Und ich hab schon gesagt, dass wir uns nicht hinsetzen. Wir bleiben nicht lange. Ich will nur darüber reden, was du gemacht hast. Mehr nicht.»
Lionel nickt bedächtig.
«In Ordnung, Jasper. Dann will ich mich setzen.»
Er geht zu seinem Sessel hinüber und lässt sich vorsichtig darauf nieder.
Jasper kneift die Augen
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