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Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Titel: Wer hat Angst vor Jasper Jones? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Silvey
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Was
wir
gemacht haben. Man wirft keine Leichen ins Wasser. Sie werden ihn einsperren. Deshalb», wende ich ein.
    «Und?», sagt Eliza trotzig. Ich starre sie an.
    «Wie meinst du das?», frage ich.
    «Ich meine damit, dass ich tun muss, was richtig ist, Charlie.»
    «Aber wie kann das richtig sein? Es ist nicht seine Schuld, und trotzdem willst du, dass er dafür bestraft wird? Und ich mit ihm? Das ist dir doch klar, oder? Wenn du ihnen alles erzählst, sitze ich mächtig in der Patsche. Ich war
hier
. Ich habe das Gleiche getan, was Jasper getan hat. Und du, du steckst genauso mit drin.»
    «Ich erzähle ihnen nichts von dir», sagt Eliza leise. Ich seufze.
    «Aber dann ist es nicht die Wahrheit, oder? Und wenn du das für mich tun kannst, wenn du mich außen vor lässt, dann kannst du das Gleiche auch für Jasper tun.»
    Natürlich bitte ich sie damit zu lügen, Teile der Geschichte zu verhüllen. Die restlichen Haare kaschierend über die Glatze zu kämmen und ihnen eine andere Farbe zu geben. Nur damit ich sauber bleibe. Damit Jasper eine Gnadenfrist erhält. Ich bitte sie darum, ihre Schwester weiterhin versteckt zu halten. Und ich fühle mich schrecklich dabei. Aber was ist hier schon richtig, gerecht oder wahr?
    Ich weiß es nicht.
    Außerdem habe ich den Verdacht, dass es Eliza möglicherweise weniger darum geht, das Richtige zu tun, als dafür zu sorgen, dass sie und Jasper Jones und vielleicht auch ihr Vater die Strafe erhalten, die sie ihrer Meinung nach verdient haben. Ich glaube, dass sie mit all den Beschuldigungen und dem Schmerz irgendwohin, dass sie allen Steine an die Füße binden will.
    Eliza gibt keine Antwort, sondern reißt weiter Grashalme aus und zerpflückt sie.
    «Du gibst Jasper die Schuld, nicht wahr?», frage ich sie leise.
    Sie zuckt die Achseln. Und ich schüttele den Kopf.
    «Es ist
nicht
seine Schuld. Und deine auch nicht. Wie auch? Du kennst ihn nicht so gut wie ich. Und wie Laura. Ich habe dir erzählt, wo er in den vierzehn Tagen gewesen ist, in denen er nicht hier war. Du weißt, was in der Nacht passiert ist. Du hast es gesehen. Er hat immer nur versucht, das Richtige zu tun. Ich glaube, du willst ihn in Schwierigkeiten bringen. Du willst ihm Probleme machen, ihn belasten und ihm weh tun, so wie Laura es gewollt hat. Und für dich selbst willst du das auch. Aber du weißt es besser als Laura.»
    Eliza schließt die Augen und wendet den Kopf ab.
    Jasper steht auf. Restlos erschöpft dreht er sich zu Eliza um, schaut sie aber nicht an.
    «Hör zu. Mach, was du für richtig hältst. Nicht mehr und nicht weniger.»
    Er schickt ein leichtes Achselzucken in meine Richtung, schlurft dann zu seiner Baumhöhle, legt sich hinein und gibt keinen Mucks mehr von sich.
    Benommen registriere ich, dass schwache blaue Lichtschimmer durch die Bäume sickern. Wir sollten uns auf den Rückweg machen. Aber ich bin müde und bleischwer, und zu Hause erwartet mich nichts als Ärger. Unwillkürlich lege ich den Kopf auf den Boden. Eliza kriecht zu mir und schiebt sich in meine Arme. Ich bin immer noch feucht vom Wasser, doch das stört sie nicht. Sie riecht so gut. Ich drücke sie fest an mich. Sie nickt, ganz langsam, doch ich spüre es. Ihre Nase fährt an meinem Hals auf und ab. Dann kommt der Schlaf. Er ist tief und traumlos wie schon seit Wochen nicht mehr.

    Jasper Jones rüttelt uns wach.
    «Kommt. Wir müssen los», sagt er.
    Es dauert lange, bis ich begreife, wo und aus welchen Gründen ich hier bin. Meine Beine sind von Insektenstichen übersät, und mein Arm ist schwer und kribbelt, weil Elizas Kopf auf ihm gelegen hat. Die Ereignisse der vergangenen Nacht tropfen wie Sirup in mein Gedächtnis; eine Reihe flackernder Szenen, die mich mit ungläubigem Schrecken erfüllen.
    Ich stehe wacklig auf den Beinen. Der Hitze nach muss es später Vormittag sein. Wie anders es sich am helllichten Tag auf der Lichtung anfühlt. Sie wirkt kahl und gefährlich ruhig. Das Gefühl der Geborgenheit und der Wärme ist verschwunden.
    Ich schlurfe zum Tümpel und schöpfe mir mit der Hand ein bisschen Wasser in den Mund, das mir zwar den Magen füllt, aber kaum etwas gegen den Durst ausrichtet. Eliza und Jasper stehen weit voneinander entfernt und schweigen. In großer Ferne höre ich Vögel zwitschern. Niemand sagt etwas.
    Wir trotten hintereinander den Pfad entlang. Vorn Jasper, dann Eliza, dann ich. Ich frage mich, was sie denken, versuche, in ihre Köpfe zu kriechen und ihre Sorgen zu durchforsten. Das macht

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