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Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Titel: Wer hat Angst vor Jasper Jones? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Silvey
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zur Brücke führt, eine Pause einlegen, schleicht ein rostiger blauer Pickup langsam auf uns zu und hält schließlich neben uns an. Der Fahrer greift an seinem Australian Cattle Dog vorbei, um das Beifahrerfenster herunterzukurbeln. Er nickt Eliza zu.
    «Bist du Pete Wisharts Tochter?»
    Eliza schüttelt den Kopf und verneint. Der Mann und sein Hund beäugen sie misstrauisch.
    «Na gut», sagt er und legt den Gang ein. «Aber haltet die Augen offen, ihr zwei. Sie wird schon auftauchen.»
    Mit einem Zwinkern ruckelt er davon und lässt eine grässliche Dieselwolke hinter sich zurück. Ich lege Eliza die Hand auf die Schulter.
    «Wir sollten besser die Köpfe einziehen. Lass uns im Schatten bleiben und um das Cricketfeld herumgehen», sage ich, doch sie scheint mich nicht zu hören oder sich nicht darum zu kümmern. Sie wirkt völlig ungerührt.
    Im Gegenteil. Als Minuten später eine Sirene hinter uns aufheult und eine heisere Stimme den Morgen zerreißt, reagiert sie kaum.
    «He! Ihr zwei! Einsteigen! Aber
sofort

    Ich fahre herum, und das Herz rutscht mir in die Hose. Es ist der Sergeant. Und er sieht nicht besonders erfreut aus. Bei laufendem Motor steigt er aus dem Wagen. Er wirkt abgezehrt, verkatert und ziemlich sauer.
    Er deutet mit dem Finger auf mich und dann auf den Boden.
    «Steig ein.
Sofort.
»
    Ich berühre Eliza am Arm. Es ist vorbei. Wir gehorchen.
    Ich sitze im Fond, während uns der Sergeant mit bösen, rot umränderten Augen und zuckendem Schnurrbart zur Schnecke macht. Eliza schaut ausdruckslos aus dem Fenster.
    «Herrgott noch mal. Habt ihr irgendeine Vorstellung, was für einen Schlamassel ihr Kinder mir heute Morgen eingebrockt habt? Ich hab Streifenwagen aus der Großstadt angefordert, Freiwillige, die ihren Urlaub sausenlassen und Polizisten, die aus dem ganzen Bezirk hierher unterwegs sind. Ich bitte sie um einen Gefallen und wofür, Missy? Deine Mutter ist am Durchdrehen, verdammt noch mal. Ist dir das eigentlich klar?»
    Seine Stimme schwillt immer mehr an. Hinten im Wagen riecht es nach Öl, Alkohol und Dreck. Ich bleibe stumm und stecke die Hände zwischen die Knie.
    «Es reicht wohl noch nicht, wie? Was hast du dir dabei gedacht, dich aus dem Haus zu schleichen, ohne deinen Eltern Bescheid zu sagen? Mir ist es scheißegal, was ihr beide getrieben habt, aber so läuft das nicht. Nicht nach allem, was ihr durchgemacht habt. Kannst du dir vorstellen, was los war, als deine Mutter heute Morgen in dein leeres Zimmer kam? Ich schon, weil ich nämlich kurz danach drüben war und versucht hab, sie zu beruhigen. Was nicht einfach ist, wenn die älteste Tochter immer noch vermisst wird. Ich hätte euch mehr Grips zugetraut. Euch beiden! Hört ihr mir überhaupt zu?» Mit finsterer Miene spuckt er aus dem Wagenfenster und schüttelt den Kopf.
    Der Schotterparkplatz vor der Polizeiwache ist voll. Geduckt steigen wir aus dem Wagen. Der Sergeant legt Eliza die Hand auf den Rücken und führt sie zum Eingang. Sie hat immer noch kein Wort gesagt. Ich folge ihnen. Als wir die Fliegengittertür erreichen, lässt der Sergeant Eliza eintreten. Sie verschwindet. Ich höre einen Chor von Stimmen. Ich will nicht, dass die anderen sie in die Finger bekommen, und mache Anstalten, ebenfalls hineinzugehen, doch eine Bärenpranke versperrt mir den Weg. Der Sergeant dreht sich zu mir um.
    Drohend ragt er vor mir auf. «Du verpisst dich nach Hause. Das ist die letzte Warnung. Wenn du mir noch mal auf den Sack gehst, wird es dir leidtun. Hab ich mich klar ausgedrückt? Du kannst froh sein, dass dein Kopf noch auf den Schultern sitzt. Noch so eine Geschichte wie die hier, und du kannst dir vor Angst nicht mal mehr den Hintern abwischen, wenn ich mit dir fertig bin. Kapiert?»
    Ich nicke eilfertig. Ich habe kapiert. Ich spüre das Gewicht seiner Drohung und habe inzwischen eine gute Vorstellung davon, wozu er fähig ist.
    Trotzdem bleibe ich. Neben dem Wunsch, noch nicht nach Hause zurückzukehren, habe ich das Bedürfnis, für Eliza die Stellung zu halten. Ich sitze in der Sonne und verscheuche meine Gedanken. Ich beschäftige mich damit, Zigarettenstummel aufzusammeln und den Vorgarten zu säubern. Die Bienen, die den Zylinderputzerstrauch erkunden, bemerke ich kaum. Ich wünschte, Jeffrey wäre hier.
    Als es Nachmittag wird, bin ich schmierig, verdreckt und durstig. Meine Zunge hat sich einen Pelz zugelegt. Ich komme um vor Besorgnis. Ich frage mich, was Eliza dort drinnen preisgibt, wie viel sie ihnen erzählt,

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