Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Titel: Wer hat Angst vor Jasper Jones? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Silvey
Vom Netzwerk:
sondern einfach zu nicken und es mit Fassung zu tragen. Heute ist ihr Bridgeabend, also kannst du essen, wenn sie aus dem Haus ist. Ich finde, du hattest Strafe genug.»
    «Bist du sicher? Ich meine, ich kann hier draußen auch noch eine Hütte bauen und sie dann gleich wieder einreißen, wenn du willst?»
    Zu meiner Überraschung lacht er.
    «Du bist genau wie deine Mutter, Charlie.»
    «Quatsch!», sage ich. «Sag das nicht.»
    Wieder lacht er vor sich hin.
    «Sie tut eine Menge für dich, weißt du.»
    Ich stehe auf und klopfe mir den Dreck von den Shorts.
    «Ja, schon, aber das könnte ein Dienstmädchen auch», sage ich leise.
    Er runzelt die Stirn.
    «Was meinst du damit?»
    «Nichts.»
    Er atmet schnaufend aus und fixiert mich mit seinen großen Rehaugen, sodass ich mich kindisch und unbehaglich fühle.
    «Hör mal, sie will doch nur das Gefühl haben, dass sie respektiert wird. Ich weiß, dass du allmählich erwachsen wirst, Charlie, aber sie ist immer noch deine Mutter. Sie will nur das Beste für dich. Und wenn du mit irgendetwas nicht klarkommst, gibt es klügere Wege, damit umzugehen. Gehe einfach ein bisschen schlauer vor, ja? Diplomatischer. Glaub mir, mein Freund, es ist keine gute Idee, sich mit ihr anzulegen. Verstehst du, was ich meine?»
    «Ich glaube schon», erwidere ich missmutig.
    «Ein Zugeständnis ist keine Niederlage, Charlie.»
    «Wer sagt das?»
    Er lächelt. «Ich.»
    Wir bleiben einen Moment neben der gefüllten Grube stehen, während die lilafarbene Dämmerung verblasst.
    «Wo hast du heute Nachmittag eigentlich gesteckt?», frage ich.
    Er hebt die Augenbrauen.
    «Ich war in der Miners’ Hall und habe geholfen, die Suchaktion zu organisieren. Sie haben kurz nach dem Mittagessen angefangen.»
    Es schnürt mir die Brust ab, und ich spüre, wie sich mir die Nackenhaare sträuben. Das ist meine erste echte Chance auf Antworten.
    «Wirklich? Was denken sie, wo sie ist? Wissen sie es? Wo suchen sie nach ihr? Was haben sie vor?»
    «Nun, bei solchen Dingen fängt man klein an, Charlie, und erweitert den Radius dann allmählich. Je länger sie vermisst wird, desto intensiver und weiträumiger suchen sie nach ihr. Im Moment ist es das Beste, Ruhe zu bewahren und dort zu suchen, wo es am wahrscheinlichsten ist.»
    «Und wo ist das?», frage ich.
    «Am Fluss zum Beispiel und in der unmittelbaren Umgebung. Und ich könnte mir vorstellen, dass man ihre Familie und ihre Freunde befragt. Dass sie versuchen, sich ein Bild davon zu machen, was passiert sein könnte. Aber ich habe das Gefühl, dass sie heute Abend wiederauftauchen wird. Das hoffe ich jedenfalls.»
    «Und was ist, wenn sie das nicht tut?» Es fühlt sich gefährlich an, diese Fragen zu stellen. Mir ist, als würde mir ein Specht ins Brustbein hacken. Doch mein Vater setzt sich mit meiner Besorgnis ebenso ernsthaft auseinander wie mit allem anderen.
    «Dann vergrößert man den Radius. Für Morgen stehen Suchflugzeuge bereit. Außerdem haben sie Rettungstaucher aus der Stadt angefordert, die im Fluss suchen sollen. Aber ich hoffe bei Gott, dass das nicht nötig sein wird. Genaueres kann ich dir erst sagen, Charlie, wenn es so weit ist. Die Freiwilligen werden vermutlich tiefer im Busch suchen, und es wird Bürgerversammlungen und Ähnliches geben, um Unterstützung und Informationen einzuholen. Je länger sie weg ist, desto verzweifelter werden sie nach ihr suchen.»
    «Und was ist, wenn sie trotzdem nicht gefunden wird? Wenn sie weiter verschwunden bleibt? Sie können doch nicht ewig nach ihr suchen, oder?»
    Was ist, wenn sie Jaspers Lichtung entdecken? Und den Damm? Wie deutlich sind die Hinweise? Würden sie einen Tauchtrupp hinunterschicken? Bis zum schlammigen Grund? Könnten sie sie wirklich finden?
    «Nein. Natürlich nicht. Diese Hilfsmittel stehen nur für eine gewisse Zeit zur Verfügung.»
    «Wie lange?»
    «Das weiß ich wirklich nicht, mein Freund», sagt er. Mein Interesse weckt kein Misstrauen. Er kneift weder die Augen zusammen, noch stellt er irgendwelche Fragen.
    «Na gut», sage ich. Dad klopft mir auf die Schulter, fährt mit dem Daumen über meinen Haarwirbel und lächelt mich aufmunternd an.
    «Hör mal, wie ich schon gesagt habe, wird es zu all dem vermutlich gar nicht kommen. Laura taucht bestimmt bald wieder auf. Ich vermute, dass sie bei einer Freundin oder von zu Hause weggelaufen ist. Etwas in der Art. Mach dich nicht verrückt, Charlie. Anderswo verschwinden ständig Leute und tauchen wieder auf. In Corrigan

Weitere Kostenlose Bücher