Wer hat Angst vor Jasper Jones?
habe und meine Mutter fort ist, hat sich meine Laune erheblich gebessert.
«Und ich meine es todernst», sagt er mit einem Lächeln. Auf dem Herd pfeift der Wasserkessel, und er hält seinen Becher davor. Er bereitet mir einen Kaffee mit viel Kondensmilch zu. Ich drücke mein Sandwich so fest zusammen, dass an den Seiten die rote Zwiebelsoße herausquillt. Zumindest hat mich die heutige Arbeit mit einem ordentlichen Appetit gesegnet.
Als wir zu unseren jeweiligen Zimmern abbiegen wollen, halte ich ihn auf der Schwelle zurück.
«Schreibst du eigentlich dort drinnen? An einem Buch, meine ich?»
Verblüfft hält er inne und schaut mich prüfend an.
«Wie kommst du darauf?»
«Ich weiß nicht. Ich habe mir einfach überlegt, dass du das vielleicht machst dadrinnen. Mehr nicht.»
Als er antwortet, lehnt er sich zurück, wendet den Kopf ab und sieht sich in seiner Bibliothek um.
«Nein, nein, meistens lese ich hier drinnen, Charlie. Und korrigiere sämtliche Klassenarbeiten. Damit verbringe ich meine Zeit. Die Romane überlassen wir lieber den Romanschreibern, denke ich.»
«Wahrscheinlich hast du recht», erwidere ich leise und wende den Blick ab. Wir trotten auseinander und schließen die Türen hinter uns. Ich setze mich schwerfällig hin und stelle meinen Teller auf den Tisch, während ich daran denke, wie er bei meiner Frage zusammengezuckt und meinem Blick ausgewichen ist. Ich frage mich, warum er gelogen hat.
Jasper Jones ist nicht an mein Fenster gekommen.
Ich warte jetzt schon seit Stunden. Sogar die Glaslamellen habe ich entfernt, um schnell hinausklettern zu können. Doch alles, was ich damit erreicht habe, ist, allen Arten von Insekten freien Zugang zu verschaffen, die sich nun um meine Lampe tummeln. Sie in der Luft zu erschlagen funktioniert nicht. Also versuche ich, sie zwischen zwei Büchern zu zerdrücken, die ich zusammenschlage wie Becken.
Jasper Jones ist nicht hier, doch ich brauche ihn. Ich frage mich, wo er steckt. Ich will wissen, wie es ihm geht, ob er sich versteckt hält oder draußen Spuren verfolgt und wie weit er noch von einer Antwort entfernt ist. Hoffentlich ist er nicht auf seine Lichtung zurückgekehrt. Was ist, wenn sie ihm dorthin gefolgt sind? Wenn sie sich aufgemacht haben, um ihn zu suchen?
Doch ich schätze, dazu ist er zu vorsichtig. Wahrscheinlich hat ihn auch die Vorsicht von meinem Garten ferngehalten. Die Lage muss sich beruhigt haben, ehe wir uns wiedersehen, bevor wir ernsthaft anfangen, nach der Wahrheit zu suchen.
Trotzdem könnte ich eine beruhigende Dosis seiner Gesellschaft gut gebrauchen, damit ich mich mit der Sache nicht mehr so allein fühle.
Ich bin müde, aber rastlos. Es ist eine windstille und laue Nacht. Ich klettere aus meinem Fenster, um nachzusehen, ob Jasper vielleicht irgendwo lauert und wartet, bis unsere restlichen Lichter ausgehen. Ich stehe hinten im Garten. Es ist lächerlich still. Der Suchtrupp geht mir durch den Kopf. Haben sie für heute Schluss gemacht, oder kämpfen sie sich immer noch Fackeln schwingend durch den Busch und rufen nach Laura?
Ich drehe mich um. Das Licht in der Bibliothek meines Vaters zeichnet sich als verschwommene gelbe Raute an der Hauswand ab. Ich bin ein bisschen pikiert. Verletzt, weil er sich mir noch kurz zuvor anvertraut hat, um dann einen Vorhang davorzuziehen.
Eine böse innere Stimme treibt mich an, zum Fenster zu schleichen und hineinzuspähen. Den Vorhang zurückzuziehen wie ein Zauberer, der einen Trick enthüllt. Ich will ihn auf frischer Tat ertappen, die Lüge aufdecken.
Vielleicht sollte ich mit einem neuen Roman anfangen. Einem, der weniger lächerlich ist. Meinem Vater beweisen, dass ich klug genug bin. Ich könnte über Jasper Jones schreiben. Und der Roman würde herausragen genau wie er; mit gestrafften Schultern und geradem Rücken. Ich könnte ihn meinem Vater irgendwann nach der Veröffentlichung einfach auf den Schreibtisch legen, und er hätte immer noch keinen blassen Schimmer. Einfach so, als wäre nichts dabei. Dann würde ich ihm sagen, dass das Leben möglicherweise einfacher ist, wenn man ein bisschen nachgibt. Dass es aber besser ist, so eisern an etwas festzuhalten, dass man es gar nicht aufgeben kann.
Plötzlich hält ein Wagen vor unserem Haus. Ich drücke mich gegen die Hauswand. Es ist nicht Beverlys Auto. Vielleicht die Polizei. Vielleicht warten sie auf Jasper. Eine Überwachungsaktion. Oder sie wollen mich holen. Zur Befragung.
Der Hillman tuckert eine Ewigkeit im
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