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Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Titel: Wer hat Angst vor Jasper Jones? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Silvey
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geschluckt hatten. Jasper Jones war außer Verdacht. Laura Wishart blieb weiter verschwunden. Der Großstadtpolizist klappte seinen gelben Notizblock zu. Sie nickten sich zu.
    Dann beugte sich der Sergeant vor und redete auf mich ein, wie er es auch bei Neville Schank tun würde: langsam, übertrieben freundlich und herablassend, was ich, in Anbetracht der Lage, gern über mich ergehen ließ. Ich hätte gewaltiges Glück gehabt, teilte er mir mit. Es sei in Corrigan nicht mehr so sicher wie früher. Ich könne nachts nicht einfach allein durch die Gegend wandern. Die Straßen seien gefährlich. Meine Absichten mochten ehrenwert gewesen sein, meinte er, trotzdem sei es falsch und waghalsig gewesen, mich allein auf den Weg zu machen. Ich hätte das Telefon benutzen oder sie tagsüber, mit der Erlaubnis meiner Eltern, besuchen sollen. Zwinkernd erinnerte er mich daran, dass es mit
Romeo und Julia
kein gutes Ende genommen hatte. Aber wenn nur einer der beiden etwas gesunden Menschenverstand oder Grips bewiesen hätte, dann wäre die Sache vielleicht besser ausgegangen.
    Der Sergeant mochte ein Banause sein und seine Ratschläge abgedroschen und sinnlos, seine ausladende Gestalt und die Gewissheit in seiner Stimme hatten dennoch etwas Tröstliches. Als ich zu meiner Mutter hinüberblickte, die aussah wie eine Schlange kurz vor dem Zubeißen, wünschte ich fast, er würde hierbleiben.
    Als er sich auf die Beine hievte, lächelte er mir zu und strubbelte mir durch die Haare.
    «Er ist ein guter Junge», ließ er meine Eltern wissen, zwinkerte mir abermals zu, als sei er nur hier, um meinen guten Charakter zu loben. Dann nickte er kurz und nahm seinen Hut.
    Ich weiß noch, dass ich dachte, wenn ich die Wunden und Flecken in Jaspers Gesicht nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, wäre ich nie auf die Idee gekommen, dieser stämmige, väterliche Gesetzeshüter könnte es fertigbringen, einen unschuldigen Jungen grundlos einzusperren und zusammenzuschlagen. Wenn Jasper Jones mir nicht wenige Stunden zuvor die Zigarettenbrandmale auf seinen Schultern gezeigt und ich die hässlichen rosa Quaddeln nicht mit den Fingern berührt hätte, wäre ich nie auf den Gedanken gekommen, dieser Mann könnte ein solches Ungeheuer sein. Und ich hätte nie verächtlich den Mund verzogen, als er mir den Rücken zuwandte und hinausging.
    Er wiederum würde nie darauf kommen, dass ich daran mitgewirkt haben könnte, Laura Wisharts Leichnam klammheimlich auf dem Grund eines stillen Sees zu versenken. Er würde nie die Augen zukneifen und mich verdächtigen, ein treuer Freund und Verbündeter von Jasper Jones zu sein, dem armen Kerl, der schon sein Leben lang Opfer solcher Anschuldigungen war.
    Nachdem die Männer gegangen waren, fühlte es sich im Zimmer leer und heiß an. Ich saß mit gesenktem Kopf da, betrachtete meine Finger und wartete.
    Dann ging es los.
    Als Erstes stand meine Mutter auf, zeigte auf mich und erklärte, dass ich bis weit ins neue Jahr hinein Stubenarrest hätte. Nicht eine Sekunde dürfe ich ihr aus den Augen gehen. Diesmal verkniff ich mir eine Antwort. Ich beklagte mich auch nicht. Ihre Stimme war voller unterschwelliger Aggression.
    Es fing ganz manierlich an und entlud sich urplötzlich. Das Merkwürdige war, dass ich von diesem Streit praktisch ausgeschlossen war. Meine Mutter schäumte vor Wut, aber die richtete sich nicht gegen mich. Schlimmer als je zuvor beschimpfte sie meinen Vater. Sie fuchtelte mit den Armen, weinte und warf mit Gegenständen. Ich saß wie gebannt da. Sie nannte ihn einen schlechten Vater, einen nutzlosen Ehemann und beschuldigte ihn, sich weder für mich noch für sie zu interessieren, für niemanden außer sich selbst. Abend für Abend schließe er sich im Babyzimmer ein, schrie sie, und kümmere sich einen Dreck darum, wie sie oder ich mich fühle. Er sei so abwesend und mit sich selbst beschäftigt, dass sein eigener Sohn mitten in der Nacht aus dem Haus schleichen könne, ohne dass er es bemerke. Für was für eine Art
Mann
er sich eigentlich halte, wollte sie von ihm wissen. Und was er glaube, wie es sich für mich anfühlen müsse, mit einem Vater aufzuwachsen, der für seine Familie keine Liebe empfinde. Sie streckte die Arme nach mir aus, als sei ich ein ausgestellter Kunstgegenstand, und meinte, es sei kein Wunder, dass ich so unverschämt und ungehorsam sei, weil ich damit wahrscheinlich nur um seine Aufmerksamkeit buhle.
    Ich saß mit finsterer Miene da. Mag sein, dass etwas in ihr

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