Wer hat Angst vor Jasper Jones?
Menge ist geschockt. Als Jeffrey sich die Schienbeinschützer anlegt und munter aufs Feld trabt, um seinen Einstand als Schlagmann zu geben, halte ich es vor Nervosität kaum noch aus. Das ist seine Chance. Er sieht winzig aus, als er zu seiner Linie marschiert. Jeffrey Lu, der letzte Einwechselspieler. Die Verantwortung für Sieg oder Niederlage ruht auf seinen Schultern. Ich kann kaum hinsehen.
Die Spieler von Corrigan benehmen sich, als sei das Spiel bereits verloren. Die meisten haben die Köpfe zwischen die Knie gesteckt, einige sind sogar schon zu den Umkleiden gegangen. Der Trainer hat sich hingehockt und packt die Mannschaftstasche. Er schaut nicht einmal aufs Feld.
Das letzte Wicket ist gefallen, als der Leg Spinner sein Over beendete, also muss ich warten, bis Jeffrey mit Schlagen an die Reihe kommt. Blackburn hat seinen schnellsten Bowler aufs Feld geschickt, den Gallipoli-Veteranen, der das letzte Wicket so schnell wie möglich holen soll. Es sieht nicht gut aus. Der andere Tailender von Corrigan starrt wenig zuversichtlich auf seine Schlaglinie. Er schlägt stocksteif und verfehlt. Ich habe Angst, dass Jeffrey gar nicht erst zum Zug kommen wird.
Doch ein Wurf auf die Schlägerkante bringt seinem Partner einen Single ein; es kommt zum Seitenwechsel, und Jeffrey Lu darf schlagen. Ich beuge mich vor, als er die Schultern strafft, sich für den Middle Stump entscheidet und in Stellung geht. Mein Herz hämmert.
Blackburns Kapitän, der auf den Zwerg an der Schlaglinie nicht viel gibt, hat seine Feldspieler in Angriffsposition gebracht. In der Nähe des Schlagmanns stehen vier Slips, ein Close Gully und zwei Fänger.
Der Veteran läuft los. Jeffrey ist bereit.
Und scheidet aus. Beim ersten Ball. Sein Off Stump wirbelt durch die Luft, und mir bricht das Herz. Eliza schlägt die Hände vor den Mund und stöhnt vor Enttäuschung. Blackburn bricht in Jubel aus. Die Mannschaft von Corrigan beginnt aufs Feld zu trotten, um dem Gegner die Hand zu schütteln. Doch dann bleiben sie stehen. Alle starren auf den Schiedsrichter, der den Arm zur Seite streckt, als greife er nach einem Pfirsich. Es ist ein No Ball! Der Veteran ist übergetreten! Jeffrey bleibt im Spiel! Er watschelt sogar selbst zu der Stelle, an der sein Off Stump umgefallen ist, hebt ihn auf und steckt ihn wieder in den Boden. Die Spieler von Corrigan schleichen zurück auf ihre Plätze. Die Mannschaft von Blackburn tobt. Gereizt und mit dem Gefühl, verpfiffen worden zu sein, nehmen die Spieler ihre Positionen wieder ein. Das Spiel hängt an einem seidenen Faden, aber es geht weiter.
Jeffreys Einstandsball hat die Spannung gewaltig gesteigert. Beide Mannschaften sind nun in Habtachtstellung. Der Veteran stürmt wieder zum Anlauf. Sein nächster Ball ist kurz und fest und knallt Jeffrey geradewegs an die Schulter. Empört springe ich auf, aber Jeffrey zuckt weder zusammen, noch geht er zu Boden. Man sieht ihm den Schmerz kaum an. An der Auslinie höre ich die Spieler von Corrigan lachen.
Der Veteran marschiert über die Pitch, streckt den Finger aus wie einen Dolch und macht Jeffrey lautstarke Vorhaltungen. Er spuckt aus und verpasst nur knapp Jeffreys Schläger. Dann wandert er wieder zurück. Jeffrey wirkt ungerührt.
Auch der nächste Ball kommt kurz und schnell, und diesmal lehnt sich Jeffrey zurück und befördert ihn mit einem lauten Krachen über die Leg Side ins Aus. Das sind vier Runs. Die Menge ist sprachlos. Man hört keinen Applaus, nur Stille. Ich kann es kaum glauben. Der nächste Ball hat keine gute Länge, und Jeffrey schickt ihn für weitere vier Runs durch die kleine Lücke beim Gully über die Auslinie. Der Veteran ist aschfahl. Jeffrey bewahrt Ruhe.
Den nächsten Ball lässt er zum Midwicket abtröpfeln, was ihm einen Single einbringt. Das Over ist zu Ende. Mir wird klar, dass Jeffrey dafür gesorgt hat, dass er das Schlagrecht behält. Er glaubt wirklich, dass er es schaffen kann.
Eliza umklammert meinen Arm.
«Jeffrey spielt großartig! Ich wusste gar nicht, dass er so gut ist!»
«O ja, spielen kann er», sage ich und bin gleichzeitig stolz und eifersüchtig.
Den Spin Bowler geht Jeffrey mit Vorsicht an. Blackburns Innenfeldspieler bilden nun einen engen Ring um ihn. Die ersten beiden Bälle wehrt Jeffrey geschickt ab, indem er ihnen mit geradem Schläger den Spin nimmt. Der dritte Ball ist kurz, jedenfalls kurz genug für einen verrückten Zwerg wie Jeffrey, um ihn mit einem Pullschlag zur Leg Side zu befördern. Der
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