Wer hat Angst vor Jasper Jones?
der Mannschaft brüllt Ratschläge und Ermutigungen. Es gibt weder Bosheit noch Häme. Sie feuern Jeffrey wirklich an.
Aus irgendeinem Grund fällt es mir dadurch noch schwerer hinzuschauen. Vom nächsten Ball hängt so viel mehr ab als nur ein Spiel. Nicht auszumalen, wenn Jeffrey versagt. Nicht auszumalen, wenn diese Menschen enttäuscht werden.
«Ich kann gar nicht hinsehen», sagt Eliza und hält sich die Augen zu. «Mach schon, Jeffrey», sporne ich ihn mit zusammengebissenen Zähnen an. Immer und immer wieder.
Es ist so weit.
Als der Bowler losstürmt, verstummen alle. Sämtliche Augen verfolgen seinen Anlauf, seine schweren Schritte und dann den Ball und Jeffrey Lu im wichtigsten Sekundenbruchteil seines Lebens.
Wie die beiden vorangegangenen kommt auch dieser Ball kurz, fest und gerade. Jeffrey muss es gewusst, er muss die Taktik vorausgeahnt haben, denn noch bevor der Bowler den Ball loslässt, sehe ich, wie Jeffrey seine Position leicht verändert und einen Schritt in Richtung Square Leg macht. Er hebt den Schläger an, sorgt für genug Platz um sich herum, und als der Ball nach dem Aufsetzen steil nach oben wegspringt und sich auf seiner Kopfhöhe befindet, ist er bereit für den Schlag, den er sich vorher überlegt hat.
Im Grunde ist es gar kein richtiger Schlag. Jeffrey holt nicht aus. Er hebt lediglich den Schläger an und richtet die Schlagfläche so aus, dass der Ball, ohne langsamer zu werden, nach oben steigt. Jeffrey lenkt ihn direkt über den Kopf des Wicket Keeper, nur Zentimeter an dessen ausgestrecktem Fanghandschuh vorbei, und der Ball hält Kurs. Er springt durch den einzigen ungeschützten Bereich des Ovals und gibt den beiden hinter dem Schlagmann postierten Feldspielern, die ihm nachsetzen, das Gefühl von Sinnlosigkeit.
Jeffrey hat es geschafft.
Corrigan bricht in Jubel aus. Jeffrey Lu ist ein Held. Eliza und ich springen schreiend auf dem Hang herum und fallen uns in die Arme. Es ist unglaublich. Mein Rückgrat scheint elektrische Funken zu sprühen, und meine Lippen zittern. Nachdem er dem Ball seelenruhig hinterhergeschaut hat, dreht Jeffrey Lu sich um und reckt den Schläger in die Höhe. Er grinst wie ein Irrer. Er hat das Undenkbare vollbracht. Die Spieler von Blackburn sacken fassungslos in sich zusammen. Auf der Seite von Corrigan zerzausen sie sich lachend die Haare und albern herum. Jeffreys Schlagpartner geht zu ihm hinüber, schlägt ihm auf den Rücken und legt ihm burschikos den Arm um die Schultern. Jeffrey reicht ihm gerade bis zur Taille, was diese Glückwunschszene noch hölzerner wirken lässt.
Was ich empfinde, ist Freude, glaube ich. Es ist schon eine ganze Weile her, seit ich diese blinde Woge des Glücks das letzte Mal empfunden habe. Das hier könnte eines jener seltenen Ereignisse sein, die haftenbleiben, die man sich auch dann noch in Erinnerung ruft und erzählt, wenn Monate und Jahre ins Land gegangen sind. Einer jener süßen, bedeutsamen Momente, die im Gedächtnis einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Ein Foto könnte diese Geschichte niemals wiedergeben. Man muss es erlebt haben, um es zu verstehen. Dieses verrückte Aufeinandertreffen von zischenden Meteoren, schwebenden Himmelsgestalten, dahintreibenden Trümmern und einem wunderschönen roten Ball, der wie ein gigantisches Feuerwerk in dein Leben platzt und durch dich hindurchfährt. Wenn die Dinge für einen Moment an ihren Platz rücken und alles einen Sinn ergibt. Es wird zu etwas, das man in sich trägt, zu einer Perle im Schlick, einer jener übergroßen Erinnerungen, die man zu jedem beliebigen Zeitpunkt heraufbeschwören kann, um ein kleines Häppchen von jenem Gefühl zu kosten, das man damals empfunden hat, so als würde man an einem Eis lecken. Am Geschmack der Gnade. Eine Legende, die Jeffrey Lu uns unverhofft zum Geschenk gemacht hat. Und wie um sie in einer Schatztruhe zu verschließen, sehe ich, dass er nach mir Ausschau hält, als er als Held des Tages vom Platz geht. Triumphierend senkt er den Schläger und deutet damit auf mich. Ich reiße in feierlichem Jubel die Arme hoch. Und grinse wie ein Idiot.
Spieler und Zuschauer zerzausen ihm das Haar und schütteln ihm die Hand. Selbst von Warwick Trent erntet er ein Nicken und einen Klaps. Ich merke, dass ich immer noch Elizas Hand halte. Ein Schauer überläuft mich.
«Das war großartig!», sagt Eliza. «Ich zittere jetzt noch!»
«Ich kann es gar nicht fassen», sage ich, den Blick immer noch auf Jeffrey gerichtet. «Ich
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