Wer hat Angst vor Jasper Jones?
Ball fliegt davon. Jeffrey hat ihn gut getroffen. Er kommt einmal auf und landet im Aus.
Verblüfft und ungehalten umklammert der Kapitän von Blackburn seinen Kopf. Trotzdem schickt er immer noch keine Ausputzer aufs Feld, um die Auslinie zu bewachen, sondern versucht weiter, den Schlagmann unter Druck zu setzen. Und Jeffrey weiß das zu nutzen. Den nächsten Ball drischt er mit einem Treibschlag durch die Covers, der von Kevin Douglas Walters persönlich hätte stammen können. Das Echo des Knalls hallt durch das kleine Amphitheater, und alle Augen verfolgen, wie der Ball durch das Innenfeld saust. Die Experten an der Seitenlinie fangen an zu nicken und die Köpfe schräg zu legen. Und die Spieler von Corrigan versammeln sich um ihren Trainer. Jeffrey Lu erntet wahrscheinlich zum ersten Mal im Leben so etwas wie widerwilligen Respekt.
Abermals sorgt er mit dem letzten Ball dafür, dass er im nächsten Over weiterschlagen darf. Und beim Seitenwechsel rennt ein Läufer mit einem Getränk und einer Nachricht zu ihm aufs Feld. Der Punktestand scheint eng zu sein. Ich sehe, wie Jeffrey den Becher entgegennimmt und nickt und kann es kaum glauben. Nicht nur dass sie ihn mit einer Erfrischung versorgen, sie lassen ihm auch Informationen zukommen wie einem echten Mitspieler.
Jeffrey joggt zur Schlaglinie zurück, marschiert die Pitch auf und ab und stößt dabei immer wieder den Schläger auf. Er rückt seinen Unterleibsschutz zurecht und fummelt an seinen Schienbeinschützer herum, als betreibe er die Sache seit zwanzig Jahren.
Die Feldaufstellung fällt diesmal etwas weniger großzügig aus. Ein weiteres kleines Zeichen des Respekts. Infolgedessen bringt das Over weniger Runs ein. Trotzdem gelingt Jeffrey mit einem frechen Angriffsschlag ein Boundary, und er sichert sich abermals das Schlagrecht. Außerdem verabschiedet er den Veteranen, der alle seine Overs gespielt hat.
Ich weiß nicht genau, wie der Punktestand aussieht und wie viele Bälle noch zu spielen sind, daher sind meine Nerven zum Zerreißen gespannt. Jeffrey hingegen zeigt keinerlei Anzeichen von Panik oder Belastung. Er spielt klug und sicher, ist ganz bei der Sache und konzentriert sich auf den Bowler und seine Spinbälle. Er zeigt Geduld beim Schlagen und wartet auf die kleinste Chance, um anzugreifen. Und wenn es so weit ist, zeigt er, was er kann. Gegen Ende des nächsten Overs schlägt er einen hohen Ball geradewegs über den Kopf des Bowlers zurück, der hinter diesem über die Linie kullert. Den gleichen Schlag wendet er auch beim letzten Ball des Overs an, trifft ihn jedoch nicht sauber. Zum Glück schaffen sie drei Runs, und Jeffrey behält abermals das Schlagrecht.
Der Bowler, der den Veteranen abgelöst hat, wirkt ebenso wütend, aber weniger beständig in seinen Würfen. Frustriert versucht er es mit zu schnellen Bällen, die nach allen Seiten abdriften, was Jeffrey zu nutzen weiß. Die Feldspieler haben sich inzwischen recht defensiv verteilt, sodass es kaum noch möglich ist, Bälle ins Aus zu befördern. Trotzdem bleibt Jeffrey auf diese Weise genug Platz, um mit schnellen Läufen Zweier und Dreier zu holen.
Das nächste Over ist die letzte Chance des Spin Bowlers, und Jeffrey legt sich ins Zeug. Er drischt die Bälle gerade und cross durch die Gegend und erwischt die Lücken mit erstaunlicher Präzision. Er schlägt riskant, aber es zahlt sich aus. Ich kann gar nicht fassen, was sich hier abspielt. Eliza und ich lächeln uns an und schütteln ungläubig die Köpfe. Mein Rücken kribbelt. Ich staune immer noch darüber, dass Jeffrey überhaupt dort draußen ist. Und jetzt hat er das Spiel richtig bei den Eiern gepackt. In dieser verängstigten Stadt ist Jeffrey Lu, der kleinste und schmächtigste Einwohner, ohne jede Furcht.
Es scheint mächtig eng zu werden. Selbst die müden und gelangweilten Kinder zieht es nun an die Seitenlinien. Ehefrauen, die sich nichts aus Cricket machen, spüren, dass etwas Bedeutsames vor sich geht. Es ist der letzte Ball des Overs. Der Bowler steht an seinem Anlaufpunkt und spielt mit dem Ball, während der Kapitän von Blackburn herumbrüllt und seine Feldspieler platziert. Jeffrey hat seinen Schläger geschultert, sieht sich die Aufstellung an und nickt jedem einzelnen Spieler zu, den er ins Visier nimmt.
Er trifft den Ball gut, doch die regelrecht akrobatische Feldarbeit verhindert, dass er sich auch für das nächste Over das Schlagrecht sichern kann. Die Zuschauer schnappen nach Luft und sind unruhig.
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